LABORAUTOMATISIERUNG ÜBER EIN ZENTRALES LEITSYSTEM KOMMUNIZIEREN Der Chemie- und Pharmakonzern Merck will neben der Digitalisierung der Produktion auch sein weltweites Laborumfeld im Unternehmensbereich Electronics automatisieren. Ein Ziel: Die Markteinführung neuer Produkte beschleunigen. Bei der Auswahl der Systempartner für seine Automatisierungslösungen legt Merck Wert auf offene Plattformen und Unabhängigkeit der einzelnen Applikationen. So haben Merck und Siemens 2021 ein Projekt zur Modularisierung der Produktionsanlagen für die Herstellung von neuen Materialien und Produkten in den drei Unternehmensbereichen Healthcare, Life Sciences und Electronics gestartet. Unabhängig davon hat Merck in einem weiteren Schritt in den Forschungs- und Entwicklungslaboren des 2020 neu eröffneten Electronics Technology Center am Hauptsitz des Unternehmens in Darmstadt eine Automatisierungssoftware von Copa-Data eingeführt, die nun auch weltweit in vielen weiteren Laboren implementiert wird. Dadurch sollen ein effizienteres Zusammenspiel von Produktion sowie Forschung und Entwicklung (F&E) erzielt und die Zeit bis zur Markteinführung neuer Produkte um bis zu 50 Prozent beschleunigt werden. „Geschwindigkeit ist bei der Markteinführung ein entscheidender Wettbewerbsvorteil und ist gerade bei unseren Produkten besonders wichtig“, sagte Hajo Neumann, Leiter Integrated Supply Chain im Unternehmensbereich Electronics von Merck. „Es ist außerdem zu erwarten, dass die Grenzen zwischen F&E und Produktion in Zukunft mehr und mehr verschwimmen. So werden schon heute immer kleinere und dafür sehr individualisierte Chargen im Labor hergestellt“, sagt Neumann. VERSCHMELZUNG VON OT UND IT Eine Softwareplattform kann zur digitalen Transformation und Verschmelzung von OT (Operational Technology) und IT beitragen. „Eine Laborumgebung zu konfigurieren – im Zusammenspiel aus 34 VERFAHRENSTECHNIK 2022/09 www.verfahrenstechnik.de
BETRIEBSTECHNIK Hard- und Software – sollte so einfach sein, wie einen neuen Drucker am PC anzuschließen“, sagt Thomas Punzenberger, CEO und Gründer von Copa-Data. Schnelligkeit, Flexibilität und Effizienz sollen deutlich verbessert werden. Was in Produktionshallen unter Begriffen wie „Industrie 4.0“, „Smart Factory“ oder „Industrial Internet of Things“ bereits bewährt im Einsatz ist, hat Merck nun erstmals auch im Laborumfeld umgesetzt. Bisher undenkbar als Ort der Automatisierung, entspricht das Unternehmen damit den Bedürfnissen eines Markts, der nach immer kürzeren Einführungszeiten sowie individualisierten Produkten fragt. Im Gegensatz zur Produktionshalle ist der Alltag im forschenden Labor vor allem davon geprägt, dass Anlagen regelmäßig neu konfiguriert und Arbeitsschritte laufend geändert werden müssen. Damit ist das Labor ein Umfeld, das auf den ersten Blick nur wenig Automatisierungspotenzial erkennen lässt. Den Schlüssel zum Erfolg hat Merck in der modularen Produktion gefunden und setzt in der Umsetzung auf einen „MTP“ genannten Industriestandard, kurz für Module Type Package. Hinter MTP verbirgt sich ein Lösungsansatz mit dem – unabhängig von der im Einsatz befindlichen typischerweise fragmentierten Hardund Softwarelandschaft – alle Anlagen in einem zentralen Leitsystem miteinander kommunizieren können. Einzelne Arbeitsschritte werden in abgeschlossenen Modulen gespeichert und lassen sich ohne Programmierkenntnisse von den Forschenden selbst mit einigen wenigen Klicks und in kurzer Zeit zu immer wieder neuen Anwendungen und Prozessen kombinieren. Ein weiterer Vorteil: MTP-Module können aus dem Labor nahtlos in die Produktion überführt werden. Rezepte, die im Ausgehend vom Electronics Technology Center in Darmstadt automatisiert Merck sein weltweites Laborumfeld auf Basis von Module Type Package (MTP) Labor entstehen, können somit zeitnah in die Massenproduktion gehen, ohne manuell und aufwändig die Produktionsstraßen neu konfigurieren zu müssen. Bilder: Copa Data, Paulista – stock.adobe.com www.copadata.com AUTORIN Katharina Wirtz, Consense Communi cations GmbH, München MERCK Merck ist in den Bereichen Life Sciences, Healthcare und Electronics tätig. 2021 erwirtschaftete das Unternehmen in 66 Ländern einen Umsatz von 19,7 Milliarden Euro und beschäftigte mehr als 60.000 Mitarbeiter. Die Gründerfamilie ist bis heute Mehrheitseigentümer des börsennotierten Konzerns. Geschwindigkeit ist bei der Markteinführung ein entscheidender Wettbewerbsvorteil und ist gerade bei unseren Produkten besonders wichtig. Hajo Neumann, Leiter Integrated Supply Chain im Unternehmensbereich Electronics von Merck COPA-DATA Copa-Data ist ein unabhängiger Softwarehersteller im Bereich Digitalisierung. Mit der Softwareplattform Zenon werden weltweit Maschinen, Anlagen, Gebäude und Stromnetze automatisiert, gesteuert, überwacht, vernetzt und optimiert. Im Jahr 2021 erwirtschaftete das 1987 von Thomas Punzenberger in Salzburg gegründete Familienunternehmen mit seinen weltweit über 300 Mitarbeitern einen Umsatz von 64 Millionen Euro. www.verfahrenstechnik.de VERFAHRENSTECHNIK 2022/09 35
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