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Verfahrenstechnik 9/2016

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Verfahrenstechnik 9/2016

VERFAHRENSTECHNIK IM

VERFAHRENSTECHNIK IM ALLTAG I SERIE Genetischer Ein- und Ausschalter Sterile Männchen Neue Strategien gegen Mücken und weitere Schädlinge Südamerika kämpft gegen Tigermücken, die Gelbfieber, Denguefieber und das Zika-Virus übertragen. In Mitteleuropa befürchten Wein- und Obstbauern in diesem Jahr wieder massive Ernteausfälle durch Kirschessigfliegen. Da herkömmliche Methoden zunehmend versagen, entwickeln Forscher von Fraunhofer und der Justus-Liebig-Universität Gießen neue Strategien gegen Schadinsekten – frei von umweltschädlichen Giften und artspezifisch. Prof. Marc F. Schetelig ist Experte für die sterile Insektentechnik, kurz SIT, die durch massenhafte Freisetzung steriler Männchen die Population von Schadinsekten dezimiert. Am weitesten gediehen sind seine Arbeiten mit der Kirschessigfliege, Drosophila suzukii, die aus Südostasien stammt und sich weltweit ausbreitet. Die Weibchen legen kurz vor der Ernte ihre Eier in reife Früchte, wenn die Bauern in der Regel nicht mehr mit Insektiziden spritzen dürfen. Somit umgeht die Fliege auch wirksame Insektizide, und eine effektive Bekämpfungsstrategie ist nicht auf dem Markt. 2014 sorgte die Kirschessigfliege in vielen Regionen Mitteleuropas bereits für massive Ernte- ausfälle bei Kirschen, Himbeeren, Pflaumen und Trauben. In diesem Jahr könnte das regnerische Frühsommer-Wetter die Ausbreitung weiter begünstigen. Ein riesiges Heer unfruchtbarer Insektenmännchen dient bei der SIT als Waffe gegen die eigenen Artgenossen. Da die sterilen Männchen gegenüber ihren frei lebenden Geschlechtsgenossen in massiver Überzahl sind, paaren sich die meisten Weibchen mit ihnen – bekommen danach aber keinen Nachwuchs. Gezüchtet werden die unfruchtbaren Männchen in großen Anlagen. Die Sterilisierung erfolgt klassischerweise durch radioaktive Bestrahlung. Von der Zuchtanlage geht es per Flugzeug ins Zielgebiet, wo Millionen von Tieren freigelassen werden. Schetelig hat ein genetisches System konstruiert. Es bewirkt, dass die Nachkommen der Fliegen bereits im Embryonalstadium sterben. Das genetische System enthält aber auch einen Schalter, mit dem sich das Programm ausschalten lässt. Dieser Schalter kann durch Füttern des Antibiotikums Tetrazyklin umgelegt werden. Durch Tetrazyklin-haltiges Futter lässt sich der Fliegenstamm im Labor züchten und weiter vermehren. „Die neu entwickelten Systeme haben im Gegensatz zu anderen verfügbaren genetischen Systemen den Vorteil, dass kein Antibiotikum für die Larven benötigt wird und man nur geringe Mengen für die erwachsenen Fliegen verwenden muss. Somit gelangt kein Antibiotikum in die Umwelt“, sagt Schetelig. Zur Erleichterung der Massenzucht verankert die Forschergruppe ein weiteres genetisches System im Erbgut. Es kann bewirken, dass alle Weibchen bereits im Embryonalstadium absterben. „Mit diesem Sexing-System können wir die Effektivität der Massenzucht deutlich steigern, da wir nur Männchen großziehen“, erklärt Schetelig. Eindämmung von Viren als Ziel Zurzeit implementiert das Team die bei der Kirschessigfliege entwickelten genetischen Systeme in Tigermücken, um sie mit der sterilen Insektentechnik bekämpfen zu können. Denn die Tigermücken können eine ganze Reihe gefährlicher Viren übertragen. Dazu gehören neben dem Dengueund Zika- auch das Gelbfieber-, Chikungunya- und Rifttal-Virus. Das ursprünglich in den Tropen heimische Insekt breitet sich weltweit aus. In der Nähe von Freiburg im Breisgau gibt es den ersten Nachweis von Tigermücken, die den deutschen Winter überstanden und dort sogar gebrütet haben. Bei aller Hoffnung, die Schetelig in die neue Technologie setzt, hat er auch die Risiken der Freilassung transgener Insekten im Blick, wie die ungewollte Verbreitung des Transgens durch Übertragung auf die Nachkommen. „Da wir die Männchen vor der Freilassung zusätzlich durch radioaktive Bestrahlung sterilisieren, sind wir überzeugt davon, dass sie sich nicht vermehren“, verdeutlicht Schetelig. Mit einer großflächigen Anwendung der Technologie rechnet er am ehesten in Ländern, in denen bereits Regularien für die Freisetzung genetisch veränderter Organismen bestehen, wie zum Beispiel in Südamerika und ansatzweise in den USA. „Die Akzeptanz hängt entscheidend von der Höhe der Bedrohung durch die Schädlinge ab“, ist der Forscher überzeugt. www.fraunhofer.de 50 VERFAHRENSTECHNIK 9/2016

VORSCHAU IM NÄCHSTEN HEFT: 10/2016 ERSCHEINUNGSTERMIN: 10. 10. 2016 • ANZEIGENSCHLUSS: 22. 09. 2016 01 02 04 03 01 Jubiläums-Special: 50 Jahre VERFAHRENSTECHNIK 02 Bei der Entwicklung einer Pumpen-Serie legte der Hersteller besonderen Wert auf schnelle Wartung, kostensparenden Service und ein einfaches Handling 03 Grenzschalter sind für die Füllstandmessung mit einem oder zwei Schaltpunkten erhältlich 04 Trotz oder gerade der Einfachheit wegen sind Fassmischer sehr gut geeignet, einzelne Bestandteile sicher und produktschonend zu vermengen (Änderungen aus aktuellem Anlass vorbehalten) Der direkte Weg Internet: www.verfahrenstechnik.de E-Paper: www.engineering-news.net Redaktion: redaktion@verfahrenstechnik.de VERFAHRENSTECHNIK 9/2016 51