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Verfahrenstechnik 7-8/2017

Verfahrenstechnik 7-8/2017

Rotorpaare von

Rotorpaare von Schraubenkompressoren: Von groß bis klein decken die Maschinen zahlreiche industrielle Prozesse ab Hoher Einsatz bei tiefen Temperaturen Schraubenkompressoren in Kälteanwendungen Wenn Prozessgase verdichtet werden, sind Schraubenkompressoren häufig das Mittel der Wahl. So auch bei Tieftemperaturanwendungen, bei denen mithilfe von Schraubenkompressoren das sogenannte Boil-off-Gas, das unvermeidlich durch Verdampfung entsteht, effektiv genutzt werden kann. Autoren: Sven Strache, Holger Tewes, beide MAN Diesel & Turbo SE, Oberhausen Weltweit gibt es eine Vielzahl an Prozessen, bei denen extrem kalte Flüssigkeiten mit Temperaturen von unter –100 °C in Tanks gelagert oder auch transportiert werden. Aufgrund von nicht zu vermeidenden Wärmeübergängen durch die Tankoberfläche verdampfen zwangsläufig geringe Mengen dieser Flüssigkeiten. In der Vergangenheit wurden diese auftretenden Gase häufig über Fackeln in die Atmosphäre geleitet. Bedingt durch strengere Umweltauflagen und zur wirtschaftlichen Nutzung des verdampften Gases werden mehr und mehr sogenannte Boil-off-Gas-(Bog)-Kompressoren eingesetzt. Typische Anwendungsbeispiele für Prozesse, die extrem kalte und flüssige Produkte in atmosphärischen Tanks speichern, sind die Ethylenherstellung sowie Transport und Nutzung von verflüssigtem Erdgas (Liquid Natural Gas, LNG). Neben der stationären Installation von Bog-Kompressoren in Produktionsanlagen finden diese ihren Einsatz mehr und mehr auch auf Flüssiggas-Tankern oder Containerschiffen. Der Kompressor wird hier genutzt, um die verflüchtigten Gase kontrolliert aufzunehmen und auf ein höheres Druckniveau zu verdichten. Ein höherer Gasdruck wird benötigt, um das Gas durch einen weiteren Kühlkreislauf rückverflüssigen zu können. Alternativ wird das Gas auch zur Befeuerung von Gasturbinen für die Stromerzeugung genutzt, auf Flüssiggas-Tankern zudem auch als Treibstoff für den Schiffsmotor, die auf solchen Schiffen als Dual-Fuel- Aggregat ausgelegt sind. Boil-off-Gas als Herausforderung Wie zuvor beschrieben, ist ein Verdampfen der lagernden Flüssigkeit nicht zu vermeiden und ein reines Abfackeln der Gase nur noch in Ausnahmefällen (Störfall) erlaubt. Längere Fackel-Perioden können je nach Regionen empfindliche Strafen durch Umweltbehörden nach sich ziehen. Daher ist eine hohe Verfügbarkeit der Bog-Kompressoren wichtig, um die Notwendigkeit des Abfackelns auf ein Minimum zu reduzieren und die Verfügbarkeit der gesamten Produktionsanlage oder des Antriebssystems zu gewährleisten. Aufgrund der Betriebsbedingungen, extrem kalter Ansaugtemperaturen sowie relativ geringer Volumenströme werden für diese Anwendungen häufig Kolbenkompressoren eingesetzt. Kolbenkompressoren sind in der Regel allerdings wartungsintensiv, was zu höheren Betriebskosten und Stillstandzeiten führt. In vielen Anwendungsfällen bieten sich daher alternativ trockene (ölfreie) Prozessgas-Schraubenkompressoren an, die mit vergleichbarem Arbeitsprinzip auch eine vergleichbare Eignung für den Prozess haben, aber deutliche Vorteile im Hinblick auf Verfügbarkeit, Wartungsfreundlichkeit und Instandhaltungskosten bieten. Als Prozessbeispiel soll hier die Ethylenlagerung dienen: Bei der Rückverflüssigung des gasförmigen Ethylens wird das Gas dabei zunächst von nahe atmosphärischem Druck auf einen spezifischen Kondensationsdruck gebracht, typische Druckwerte liegen hier bei 14–18 bar (a). Hinter der Kompressorstufe befindet sich ein Kondensator, bei dem die Wärmeenergie des Ethylengases auf ein Kältemittel übertragen 36 VERFAHRENSTECHNIK 7-8/2017

KOMPONENTEN UND SYSTEME wird und das Ethylen dadurch verflüssigt. Hinter dem Kondensator wird das Ethylen durch ein Entspannungsventil wieder auf die Tieftemperatur von –104 °C gebracht. Schrauben versus Kolben Bedingt durch die oszillierenden Massen der Kolben weisen Kolbenkompressoren bauartbedingte Unwuchten auf, die bei der Auslegung der Fundamente berücksichtigt werden müssen. Dem gegenüber werden bei Schraubenkompressoren lediglich statische Kräfte berücksichtigt, was Konstruktion und Bau eines Maschinenfundaments wesentlich vereinfacht. Dies erklärt sich anhand der Rotoren, rund 20 % unterhalb der ersten kritischen Drehzahl führt ihre Rotation zu einem ausgeglichenen Lauf der Maschine. Durch die wesentlich langsamere Hubbewegung treten bei Kolbenkompressoren Pulsationen auf, die im Bereich der Resonanzfrequenzen von angeschlossenen Rohrleitungen liegen können. Um Schäden zu vermeiden, empfiehlt es sich, die Pulsationen durch den Einsatz von zusätzlichen Pulsationsdämpfern weitestgehend zu reduzieren. Im Vergleich dazu tritt, bedingt durch die wesentlich schneller drehenden Rotoren, bei Schraubenkompressoren dieses Phänomen nicht besonders auf. Somit kommen auf der Druckseite wesentlich einfachere Dämpfer zum Einsatz. Schraubenkompressoren weisen zudem ein sehr gutes Teillastverhalten auf, sodass sich der Volumenstrom nahezu linear über die Drehzahl regeln lässt. Typischerweise lässt sich der Schraubenkompressor in einem Bereich von ca. 45–100 % über die Drehzahl regeln, bei konstantem Druck und linear verlaufender Leistungsaufnahme. Kurz gefasst bedeutet dies für 50 % der Maximaldrehzahl auch 50 % Volumenstrom und 50 % Leistungsaufnahme bei konstantem Enddruck. Für die Bog-Anwendung ist dies extrem hilfreich, da die Menge an Gas durch externe Faktoren wie Sonneneinstrahlung und Wärmeeintrag durch Prozesse beeinflusst wird und der Kompressor daher über eine große Bandbreite operieren muss. Trocken laufende Schraubenkompressoren sind im Vergleich zu Kolben nahezu verschleißfrei. Das unterstreicht etwa auch die Norm API (American Petroleum Institute) 619, nach der Schraubenkompressoren für drei bis fünf Jahre unterbrechungsfreien Betrieb auszulegen sind. Der Kolbenkompressor benötigt hingegen Kolbenringe sowie Ventile, die durch permanente Reibung und wechselnde Bewegungsrichtung verschleißen. Dies kann sich stark auf die Verfügbarkeit der Maschinen sowie auf die Betriebskosten auswirken. Daher werden Kolbenkompressoren häufig in einer 2 × 100 % Konfiguration (zwei redundante Kompressoren, die jeweils 100 % des Volumenstroms abdecken können) eingesetzt, um eine entsprechende Verfügbarkeit im Prozess zu gewährleisten. Aufgrund der deutlich höheren Verfügbarkeit des Schraubenkompressors wird hier in der Regel eine 1 × 100 % Konfiguration bevorzugt. Mittel der Wahl Bei Tieftemperaturanwendungen können beide hier vorgestellten Kompressortypen als geeignet angesehen werden und sind in der Vergangenheit daher auch in zahlreichen Projekten zum Einsatz gekommen. Traditionell wurden Kolbenkompressoren insbesondere aufgrund ihrer geringeren Initialkosten eingesetzt. Mittlerweile ist in den meisten industriellen Branchen ein stärkerer Trend hin zu einer Gesamtbetrachtung von Kauf- und Betriebskosten zu verzeichnen, der man sich mit den englischen Begriffen Total Cost of Ownership und Lifecycle Costs nähert. Hierdurch haben sich Schraubenkompressoren zu einer wirtschaftlich und technisch hochinteressanten Alternative entwickelt. Anlagenbetreiber konnten sich in zahlreichen Projekten mit MAN Diesel & Turbo von den genannten Vorteilen überzeugen. So etwa in einer Ethylenanlage in England: In den 1980er-Jahren bestellte der entsprechende Anlagenbetreiber bei MAN Diesel & Turbo zwei zweistufige Schraubenkompressor-Anlagen, die im redundanten Set-up „2 × 100 %“ zur Verdichtung von Boil-off-Gas zum Einsatz kamen. Für eine Erweiterung der Anlage im Jahr 2011 bestellte derselbe Kunde eine weitere Schraubenkompressor- Anlage. Ausschlaggebend waren einerseits die guten Erfahrungen mit geringeren Betriebskosten, vor allem aufgrund längerer Wartungsintervallen. Andererseits führte offensichtlich auch die Erfahrung mit der extrem hohen Verfügbarkeit dazu, dass der Betreiber auf das traditionell übliche Investment in eine redundante Anlage verzichtete und sich hier auf ein Set-up „1 × 100 %“ verlässt. dieselturbo.man.eu HERBORNER PUMPENTECHNIK GmbH & Co KG | Littau 3–5 | 35745 Herborn, Germany Telefon: +49 (0) 27 72 / 933-0 | Telefax: +49 (0) 27 72 / 933-100 | info@herborner-pumpen.de | www.herborner-pumpen.de Herborner-Pumpenfabrik.indd 1 25.07.2017 08:45:00 VERFAHRENSTECHNIK 7-8/2017 37