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Verfahrenstechnik 7-8/2015

Verfahrenstechnik 7-8/2015

TOP-THEMA I TITEL Keine

TOP-THEMA I TITEL Keine Probleme mit Schwingungen Strömungstechnische Ausführung von pneumatischen Fördersystemen Christian Jansen Die verfahrenstechnische Behandlung von Schüttgütern ist im Vergleich zu Gas- und Flüssigkeitsanwendungen im Allgemeinen komplexer, die Anlagen erreichen zum Teil beeindruckende Dimensionen. Deshalb sollte ein besonderes Augenmerk auf die strömungstechnische Ausführung der Systeme gelegt werden. Der Transport der Feststoffe in der Schüttgutindustrie erfolgt unter anderem über Vibrationsrinnen, Förderschnecken oder pneumatisch über Fluidrinnen und Trägergase. Vor allem in der großindustriellen Anwendung erreichen die Anlagen für die pneumatische Förderung mit Rohrnennweiten über DN 2000 beeindruckende Dimensionen. Im Rahmen der Entwicklung dieser Prozesse wird dabei ein besonderes Augenmerk auf die strömungstechnische Ausführung der Systeme gelegt. Es gilt unter anderem, bei optimalem Druckverlust die Ladung sicher zu tragen, Abrasion zu vermeiden und eine Vielzahl von Betriebsbedingungen (z. B. Anfahren, Teillast, Volllast, Notabschaltungen) abzudecken. Numerische Strömungsrechnungen sind Stand der Technik, um Teilaspekte dieser Aufgabenstellungen zu bearbeiten. Die Rohrleitungssysteme dieser Anlagen sind komplex und verfügen neben den Hauptleitungen auch über teildurchströmte und im Normalbetrieb nicht durchströmte bzw. überströmte Segmente sowie Einbauten. Alle diese Konfigurationen sind geeignet, instationäre Strömungseffekte in Form von ablösenden Wirbeln hervorzurufen. Ursache für Wirbel Der allgemein bekannte Fall einer Wirbel hervorrufenden Struktur ist der quer ange- Autor: Dr.-Ing. Christian Jansen, Fachgebiets leiter Strömungstechnik, Kötter Consulting Engineers, Rheine strömte kreisrunde Störkörper (Bild 01). Die Ursache der Wirbelbildung ist in der instabilen Grenzschicht der Strömung zu suchen. Technisch genutzt wird diese Eigenschaft der Struktur für die Durchflussmessung mittels Wirbelzähler. Die ablösenden Wirbel sind mit einer lokalen Absenkung des statischen Druckes verbunden. Diese können mit einem geeigneten Sensor stromab des Störkörpers als periodische Druckschwankungen feststellt werden. Die Frequenz ƒ, mit der sich diese Wirbel ablösen, verhält sich reziprok zu einer charakteristischen Größe des Störkörpers (z. B. dem Außendurchmesser D α eines Stabes) sowie proportional zur Anströmgeschwindigkeit w und der sogenannten Strouhal-Zahl St. Die Strouhal-Zahl ist von der Reynolds-Zahl abhängig. Für die Beschreibung der Wirbelablösung an kreisrunden Störkörpern in Rohrleitungen kann für technisch relevante Strömungsgeschwindigkeiten und damit verbundenen Reynolds-Zahlen in guter erster Näherung ein konstanter Wert angenommen werden. Charakteristisch für diese Form der Wirbelablösung an einem umströmten Körper ist damit die mit dem Betriebsvolumenstrom ansteigende Frequenz der Druckschwankungen stromab der Wirbelquelle. Als ein weiterer Verursacher von Wirbeln und damit verbundenen Druckpulsationen in Rohrleitungen sind überströmte Rohrleitungsabzweige bekannt (Bild 02). Unter bestimmten Bedingungen ist diese Konfi- guration geeignet, starke Druckpulsationen auch im Hauptstrom hervorzurufen. Genau dann, wenn die Frequenz der ablösenden Wirbel eine ähnliche Größe wie eine akustische Eigenform der überströmten Rohrleitung erreicht, entsteht eine Wechselwirkung der durch die akustische Resonanz verstärkten Druck- und Geschwindigkeitsschwankungen und der Wirbelablösung an der Ablösekante. Es kommt zum sogenannten Einrasten. Dies bedeutet, dass die Wirbelablösefrequenz in gewissen Grenzen auch bei steigender Strömungsgeschwindigkeit konstant bleibt. Häufig wird in diesen Fällen der sprunghafte Amplitudenanstieg auf Frequenzen beobachtet, die durch benachbarte akustische Eigenformen des nicht durchströmten Abschnittes bestimmt werden. Stehende Wellen Die Ausbildung solcher „stehender Wellen“ in einem Rohrleitungssystem bewirkt, dass in der Folge des nicht stationären Druckes eine zusätzliche dynamische Belastung auftritt: An Rohrbögen, an Querschnittsprüngen und an Behältern werden Druckpulsationen in Wechselkräfte umgesetzt, die zu einer Schwingungsanregung der Strukturen führen. Bei Rohrleitungsnennweiten oberhalb von DN1000 führen bereits Druckamplituden von wenigen mbar zu resultierenden Kräften in einer Größenordnung von einigen kN. Besonders in den Fällen, in denen Pulsationsfrequenzen und Struktureigenfrequenzen zusammentreffen, äußern sich diese in erhöhten Schwingungen, die häufig 12 VERFAHRENSTECHNIK 7-8/2015

TITEL I TOP-THEMA nicht durch einfache Maßnahmen zu mindern sind. Die Folge können in diesen Fällen wiederkehrende schwingungsinduzierte Schäden an Rohrleitungen und Bauteilen sein. Die möglichen Abhilfemaßnahmen müssen detailliert auf die Situation abgestimmt werden. Beispielhaft sind hier typische akustische Maßnahmen in Form einer Pulsationsdämpferplatte als auch strukturmechanische Maßnahmen wie der Schwingungstilger (Magic Cube) zu erwähnen (Bild 03). Fallbeispiel Fliehkraftabscheider Im Folgenden wird der Lösungsweg anhand eines konkreten Fallbeispieles dargestellt: In einer großindustriellen Anlage werden Gesteine thermisch behandelt, um organische Bestandteile aus den Sedimenten zu extrahieren. Im Rahmen eines aufwändigen und technologisch anspruchsvollen Prozesses werden die Sedimente zunächst einem heißen Trägergasstrom übergeben und pneumatisch 40 m vertikal gefördert. Im Anschluss an diese Flugphase – in der das Material getrocknet wird – müssen die Feststoffe aus dem Gasstrom getrennt werden. Dies erfolgt mittels eines gewaltigen Fliehkraftabscheiders (Zyklon). Dieser besitzt einen Durchmesser von über 6 m und eine Höhe von 21 m. Im Rahmen der Inbetriebnahme dieser Anlage wurden auffällig erhöhte Schwingungen am sogenannten Dom des Zyklons bemerkt, die einen sicheren Betrieb der Anlage unmöglich machten. Erste Messungen durch die Anlagenbetreiber bestätigten eine nicht ausreichende Dauerfestigkeit der Anlage in diesem Zustand. Im Rahmen einer zielgerichteten messtechnischen Untersuchung durch die Firma Kötter Consulting Engineers wurde das Rohrleitungssystem mit speziellen Druckaufnehmern ausgestattet, um mögliche Wirbelablösegebiete bei Anlagenbetrieb zu identifizieren und Druckpulsationen in den Rohrleitungen zu bestimmen. Darüber hinaus wurden in den relevanten Anlagenbereichen Schwinggeschwindigkeitsaufnehmer montiert, um Strukturschwingungen zu ermitteln. Insgesamt wurden 40 temporäre Messstellen eingerichtet und mittels einer Verkabelung von insgesamt 2500 m an eine zentrale Datenerfassung angeschlossen. Diese Messkonfiguration erlaubt es, das Anfahren und den Betrieb der Anlage kontinuierlich und mit hoher zeitlicher Abtastung und Auflösung dynamisch zu vermessen. Damit war es möglich, Betriebszustände und -bedingungen zu ermitteln, in denen reproduzierbar hohe Schwingwerte am Dom des Zyklons auftraten. Ergebnisse der Messungen Anhand eines Spektrogramms der Druckpulsationen im Bereich des Zyklons für eine Betriebsfahrt kontinuierlich ansteigenden Volumenstromes wurden Druckschwankungen im Bereich von 5 bis 7 Hz festge- 01 Quer angeströmter, kreisrunder Störkörper mit Wirbelstraße 02 Überströmtes Rohrleitungssegment mit ablösendem Wirbel