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Verfahrenstechnik 6/2019

Verfahrenstechnik 6/2019

BETRIEBSTECHNIK

BETRIEBSTECHNIK Aufspüren und beseitigen Optische Gasdetektion zum Messen des Füllstands in explosionsgefährdeten Bereichen Für die Firma Noble Energy ist Sand ebenso unentbehrlich wie schädlich. Sandanhäufungen müssen schnell aufgespürt und beseitigt werden, bevor sie teure Betriebsanlagen beschädigen können. Die meisten Methoden zum Aufspüren von Sand erwiesen sich als unzuverlässig, bis die Ingenieure erkannten, dass sie dieses Problem mit einem Hightech-Instrument lösen können, das sie bereits für ihr Lecksuch- und Reparaturprogramm einsetzen. Beim Hydraulic Fracturing (Fracking) besteht ein Teil des Prozesses darin, Sand unter hohem Druck in die Bohrstelle zu pressen, um die Poren der Förderstätte offenzuhalten. Beim Wiederanschließen der Förderstätte an das Fördernetz nach dem Fracking wird ein Teil dieser Sandmenge zurück nach oben gedrückt. An der Oberfläche trennt ein Abscheider mittels Wärme aus einem integrierten Flammrohr das Erdöl, Erdgas und Wasser vom Sand. Die unerwünschten Nebenprodukte – Paraffin und Sand – sammeln sich in den Abscheidertanks oder -kesseln an und müssen regelmäßig entfernt werden, um irreparable Schäden am Flammrohr des Abscheiders zu verhindern. Wenn der Sand das Flammrohr eines ungeflanschten Abscheiders unter sich begräbt, muss der gesamte Kessel ausgetauscht werden. Noble Energy setzt vorwiegend ungeflanschte Abscheider ein. Das Flammrohr lässt sich nur bei den neueren und teureren geflanschten Abscheidern reparieren oder austauschen. „Jeder dieser Abscheider kostet im Schnitt um die 100 000 US-Dollar“, sagt Doug Hess, LDAR Manager bei Noble Energy. „Wenn sich der Sand im Kessel bereits so hoch auf­ Autoren: Thomas Jung, Sales Director, Flir Systems GmbH, Frankfurt; Frank Liebelt, freier Journalist, Frankfurt türmt, dass er sich auf dem Heizelement ablagert, wird er dieses bald vollständig unter sich begraben. Das kann einen katastrophalen Ausfall des Abscheiders verursachen, der wiederum zu zwei sehr gefährlichen Situationen führen kann: Erstens zu einem unkontrollierten Austritt von Erdgas, Erdöl und Wasser aus dem Abscheider und zweitens auch zu einem Brand.“ Während sich das Paraffin relativ einfach entfernen lässt, ist die Sandbeseitigung mit deutlich mehr Aufwand verbunden. Zunächst muss der Abscheider komplett stillgelegt werden, und dann braucht man zwei Instandhaltungstrupps: einen für die Reinigungsschläuche und einen für den speziellen Absaug-Lkw. Der gesamte Vorgang ist äußerst arbeitsintensiv und verursacht kostspielige Produktionsstillstände und Arbeitszeitverluste. Die Kamera-Lösung Um den Austausch der Abscheider zu vermeiden und die Effizienz des präventiven Wartungsplans zu verbessern, hat Noble Energy ein eigenes Sandfüllstand-Messverfahren unter Verwendung eigensicherer optischer Gasdetektionskameras entwickelt. Noble Energy nutzte die Flir OGI-Kameras bereits für sein Lecksuch- und Reparaturprogramm (LDAR). Da die Ingenieure dabei bereits über 30 000 Lecks mit den Kameras Sandanhäufung in den Abscheidern bereits eine potenziell schädliche Höhe erreicht hat“, so Doug Hess. Es dauert nur wenige Minuten, um die Temperaturen an bestimmten aussagekräftigen Punkten in jedem Tank zu messen. Die Rainbow-Farbpalette auf den Wärmebildern zeigt bestimmte Temperaturen mit unterschiedlichen Farben an. „Auf den kontrastreichen Rainbow-Bildern können wir die Temperaturunterschiede am besten erkennen, und unsere Ingenieure finden den verfügbaren Messbereich gut“, sagt Aufgrund der Temperaturunterschiede können wir genau erkennen, ob die Sandanhäufung bereits eine schädliche Höhe erreicht hat erkannt hatten, kannten sie sich bestens mit deren Funktionsweise und Bedienung aus. Schließlich erkannte das Team, dass sich dieselbe Technologie, die sie bereits zum Aufspüren unsichtbarer Gaslecks verwenden, auch zum Vorantreiben des präventiven Wartungsprogramms für ihre Abscheider nutzen lässt. „Wir haben diese Kamera, die Wärmebildtechnik nutzt und so leistungsstark ist, dass man damit sogar durch die dicken Stahlwände der Abscheider hindurchsehen kann. Aufgrund der Temperaturunterschiede – das Öl ist heißer und der Sand ist kälter – können wir genau erkennen, ob die Doug Hess, Noble Energy Landon Hawkins, der maßgeblich an der Entwicklung des Sandfüllstand-Messverfahrens von Noble Energy beteiligt war. Zunächst befestigt Hawkins neben jedem Abscheider eine der beiden Flir GFx320­ Kameras, richtet sie auf die Seiten des Abscheidertanks aus und ändert die Einstellungen auf den manuellen Modus, um die erforderlichen Temperaturmesspunkte festzulegen. Die Temperatur des Ölbads im Abscheider schwankt in der Regel zwischen 32 und 37,7 °C. Die Sandanhäufung weist hingegen fast dieselbe Temperatur wie die Umgebung auf. Bei einer Umgebungstemperatur von 15,5 °C ergibt sich so ein Tem­ 44 VERFAHRENSTECHNIK 6/2019

BETRIEBSTECHNIK und dabei Aufnahmen unter direkt einfallendem Sonnenlicht vermeiden, das die Oberfläche des Abscheider aufheizen könnte. Zweitens müssen die Bilder immer ähnlich aussehen. „Damit wir eine aussagekräftige Trendanalyse ausführen können, versuchen wir stets, alle Bilder so aufzunehmen, dass sie einander in allen wichtigen Punkten ähneln. So können wir beim Vergleich der neuesten mit den früheren Bildern die Unterschiede einfacher darauf erkennen. Wenn die Messungen von mehreren Personen ausgeführt werden, erhält man aufgrund des unterschiedlichen Blickwinkels unterschiedliche Aufnahmen“, sagt Hawkins. Die Abscheider auf der Wells Ranch von Noble Energy im US-Bundesstaat Colorado stehen so dicht beieinander, dass die Ingenieure eine eigensichere Infrarotkamera benötigen, um die Sandfüllstandsmessungen im Rahmen ihres präventiven Wartungsprogramms auszuführen. 100 %-ige Genauigkeit Auf dem kontrastreichen Rainbow-Bild lässt sich im Abscheider ein hoher Sandfüllstand erkennen (links), im Bild rechts ist der niedrige Sandfüllstand zu sehen peraturunterschied von 16,5 bis 22,2 K zwischen dem Ölbad und der Sandanhäufung. Der Sand häuft sich normalerweise als zusammenhängende Masse im unteren Bereich des Kessels an, während sich das Paraffin eher brockenweise in der Mitte des Kessels ablagert. Dabei bleibt das Paraffin im Gegensatz zum Sand an der Seitenwand des Kessels haften. Um dabei den Überblick über alle Abscheider zu behalten, hat Hawkins ein Überwachungsprogramm entwickelt, das auf der Seriennummer jedes Abscheiders basiert. Wird eine Sandanhäufung in einem Abscheider entdeckt, wird dieser ins Überwachungsprogramm aufgenommen. Abscheider an frisch gefrackten Förderstätten werden besonders engmaschig überwacht, da die größten Sandmengen direkt nach dem anfänglichen Fracking wieder zurück nach oben gedrückt werden. Eigensicherheit als absolutes Muss Bei den ins Überwachungsprogramm aufgenommenen Abscheidern vergleicht Noble Energy die monatlichen Bilder, um darauf zu erkennen, wie schnell sich der Sand anhäuft und wann dieser entfernt werden muss. Damit das Programm ordnungsgemäß funktionieren kann, müssen zwei entscheidende Voraussetzungen erfüllt sein. Die Kameras müssen eigensicher sein, da in der Umgebung der Abscheider eine hohe Brandgefahr herrscht. Diese sind so konzipiert, dass sie ihre gesamte Energie stets auf einem nicht zündfähigen Niveau halten, sodass sich bei Kurzschlüssen oder Fehlfunktionen keine Funken bilden können. Mit der „Intrinsically Safe“ GFx320-Kamera können sich Landon Hawkins und sein Team jedem Abscheider unbedenklich nähern, diesen aus verschiedenen Winkeln aufnehmen Hawkins und sein Team verwenden zwei eigensichere Flir GFx320-Infrarotkameras, um das von Noble Energy für seine Abscheider genutzte präventive Wartungsprogramm zu optimieren. Da eine hinreichende Erfahrung beim Umgang mit der Kamera über den Erfolg des Programms entscheidet, verbessert und dokumentiert Hawkins sein Verfahren ständig weiter, damit die anderen Ingenieure dieses einfacher erlernen können. Inzwischen hat sich das Überwachungsprogramm mehr als bezahlt gemacht, denn damit wurden in weniger als einem Jahr bereits 300 Tanks mit Sandanhäufungen aufgespürt, die eine potenzielle Gefahr für die empfindlichen Flammrohre darstellten. Natürlich kann niemand mit Gewissheit sagen, ob am Ende jeder dieser 300 Tanks ohne Sand-Spezialreinigung ausgefallen wäre. Doch selbst wenn die Überwachung mit der GFx320 nur den Ausfall eines einzigen Abscheiders verhindert hat, blieben Noble Energy allein dadurch 100 000 US- Dollar für den Austausch eines Abscheiders und die dafür anfallenden Arbeitsstunden des Instandhaltungsteams erspart. Der Sand liefert den Beweis. „Ich arbeite eng mit dem Instandhaltungsteam zusammen, das für die Reinigung der Abscheider zuständig ist, und dessen Mitarbeiter haben uns bestätigt, dass unsere Messungen bislang immer zu 100 Prozent genau waren. In jedem Abscheider, bei dem wir aufgrund unserer Messungen Bedarf für eine Spezialreinigung erkannten, hatten sich tatsächlich bereits erhebliche und potenziell schädliche Sandmengen angehäuft“, sagt Hess. Fotos: Flir www.flir.com VERFAHRENSTECHNIK 6/2019 45