MESSEN, REGELN, AUTOMATISIEREN I ACHEMA Mehr als nur Messwerte liefern Wireless-Sensoren eröffnen neue Perspektiven bei der Datenaufbereitung Das Zeitalter der Wireless-Sensoren ist in der Prozessindustrie im Vergleich zu anderen Branchen noch am weitesten fortgeschritten. Zahlreiche Abläufe mit weit auseinander liegenden oder isolierten Messstellen machen drahtlose Sensoren zur Überwachung von Prozessen unersetzlich. Autor: Christian Wirl, Key Account/Product Manager OEM Sensor Products Industrial Instrumentation, Wika Alexander Wiegand SE & Co. KG, Klingenberg Das Tablet auf dem Wohnzimmertisch steuert den Fernseher und die Stereoanlage. Smartphones können Daten über Bluetooth, Wlan und NFC übertragen, Smartwatches sind ähnlich anbindbar. Über das GSM-Netz ist selbst telefonieren noch möglich. Im Consumer-Bereich sind Wireless-Lösungen längst Alltag, in der Industrie hingegen fristen sie noch immer ein Exoten-Dasein. Unter den Schlagworten Internet of Things (IoT) und Industrie 4.0 gibt es bereits viele Ansätze, um drahtlose Sensoren zur besseren Überwachung von Prozessen einzubinden. Diese sind allerdings an zwei Bedingungen geknüpft: Es muss erstens ein echter Vorteil gegenüber einer kabelgebundenen Variante vorhanden und zweitens der gewünschte und technisch sinnvolle Standard auch am Markt verfügbar sein. Genau hier liegt die Krux: Es gibt keinen einheitlichen Standard, und es kann ihn aufgrund der ganz unterschiedlichen Anforderungen auf Seiten der Anwendungen auch nicht geben. 01 Das Präzisions-Digitalmanometer erlaubt die Verbindung mit Bluetooth-fähigen Geräten Spezifische Lösungen Viele verschiedene Wireless-Technologien kämpfen am Markt um Akzeptanz, von Bluetooth bis Long Range Wide Area Network (Lorawan). Für jede der Technologien gibt es gute Gründe. Das macht es den Herstellern von System-Komponenten nahezu unmöglich, die weitere Entwicklung auf ein Ziel hin zu optimieren. Eine Instrumentierung mit drahtlosen Sensoren läuft daher i. d. R. immer auf eine anwendungsspezifische Lösung hinaus, entworfen oft auch in direkter Kooperation mit dem Kunden. 52 VERFAHRENSTECHNIK 6/2018
ACHEMA I MESSEN, REGELN, AUTOMATISIEREN Kernfragen zur Ermittlung der passenden Funkübertragung betreffen z. B. die Sendeleistung und damit die mögliche Reichweite, die Menge der zu übertragenden Daten, die Batterielebensdauer und einen allgemein verwendbaren Standard, der zugleich die Sicherheit der Übertragung gewähren soll. Angesichts der steigenden Zahl von Hacker-Angriffen gewinnt das Thema Datensicherheit an Bedeutung, das schließt die sichere Authentisierung der User mit ein. Für den Anwender gilt es z. B. zu berücksichtigen, dass eine große Reichweite Segen und Fluch zugleich sein kann. Funksignale machen nicht am Firmeneingang halt und können von Unbefugten auch deutlich außerhalb des Werksgeländes empfangen werden. Zusätzliche Intelligenz Die Frage nach dem Einsatz von Wireless- Sensoren sollte nicht allein aus der Perspektive der Übertragungsart diskutiert werden. Vom möglichen Nutzen her betrachtet, stellen solche Geräte mehr dar als nur ein Lieferant von Messwerten zu sein. Die Sensoren können mit zusätzlicher Intelligenz kombiniert werden. Dazu gehört in erster Linie das Aufbereiten der gesammelten Daten verschiedener Messgrößen über selbstlernende Algorithmen, das auf die 02 Datenfernübertragungs-Modul in Kombination mit einer Cryo-Gauge-Messeinheit zur Überwachung von Füllständen; die Daten werden über das GSM-Netz übermittelt jeweilige Anwendung zugeschnitten sein muss. Im Verbund mit Gateways und Softwarelösungen können drahtlose Sensoren den Weg zu einem komplett neuen Geschäftsfeld über zusätzliche Serviceleistungen eröffnen, z. B. im Bereich Predictive Maintenance oder in der Logistik. Die unterschiedlichen Möglichkeiten und Anforderungen lassen sich an den folgenden Lösungsbeispielen belegen, die auf Druck- und Temperaturmessung basieren: In Kalibrierlaboren kann das Loggen der Daten und deren Übertragung hilfreich sein, z. B. für das Ausstellen von Zeugnissen. Die Reichweite des Funksignals spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle, da Sender und Empfänger nur über kurze Distanz getrennt sind. Eine Lösung auf Bluetooth-Basis reicht hierbei aus. Die Firma Wika hat diese Funktionalität zweimal in unterschiedlichen Geräten implementiert, beim Präzisions-Digitalmanometer CPG1500 und beim portablen Prozesskalibrator CPH7000. Über die Wireless-Schnittstelle können beide Geräte mit Bluetooth-fähigen Geräten verbunden werden. Beim CPG1500 ermöglicht eine App das Parametrieren sowie das Auslesen der Daten via Smartphone. Gute Flächenabdeckung Bei der Überwachung von Anlagen an weit entfernten Standorten oder mobilen Einheiten, die sich über große Distanzen bewegen, bietet sich nach heutigem Standard eine Übertragung über das GSM/LTE-Netz an. Anwender erhalten hier eine sehr gute Flächenabdeckung und damit große Reichweite. Zwar können zukünftig auch Standards wie Narrow-Band-Internet of Things (NB-IoT), LTE CAT-M1 oder Lorawan eine Rolle spielen. Diese befinden sich derzeit allerdings erst in landesspezifischer Vorbereitung bzw. stehen kurz vor der Einführung. Es zeichnet sich aber ab, dass es auch in diesem Bereich nicht den einen, einheitlichen Standard geben wird. Auf Basis bestehender Technologien hat Wika z. B. ein Datenfernübertragungs Modul in Kombination mit der Cryo- Gauge-Messeinheit realisiert. Mit dieser Lösung werden die Füllstände von Tieftemperaturgastanks überwacht und die Daten über das GSM-Netz dem Gaslieferanten übermittelt. Neben dem Druckmessgerät und dem Übertragungsmodul wird als Zusatzservice noch eine Daten-Cloud zur Verfügung gestellt. Der Gaslieferant wiederum kann durch die Fernabfrage des Tankinhaltes seinen Kunden eine kontinuierliche Versorgung ohne manuelle Nachbestellprozesse anbieten. Ebenfalls auf GSM-Technologie basiert eine Lösung zur Überwachung beweglicher Objekte. In Kooperation mit dem Kunden wurde eine Kontrolleinheit für den Transport von Straßenasphalt realisiert. Das Material muss während des Transportes ein entsprechendes Temperaturlevel halten, um in der richtigen Güte anzukommen. Dieses Niveau wird mit mehreren Messstellen überwacht, deren Daten kontinuierlich an den Lieferanten gesendet werden. Das Unternehmen erhält so ein Temperaturprofil, das es als Nachweis der Asphaltqualität ausdrucken kann. Unterschiedliche Funkprotokolle Hersteller arbeiten daran, Sensoren nebst korrespondierenden Systemen zur Datenaufbereitung für ein breites Anwendungsspektrum in unterschiedlichen Industrien anzubieten. Als Basis dafür werden Wika-Produkte mit integriertem oder angebautem Funkmodul dienen. Ziel ist, Standardkomponenten mit unterschiedlichen Funkprotokollen verknüpfen zu können. Neben GSM und LTE stehen u. a. Lorawan, Bluetooth/Bluetooth Low Energy und NB-IoT im Fokus. Das modulare Konzept wird die flexible und schnelle Anpassung an individuelle Kundenwünsche ermöglichen. Das Produkt kann per Funk parametriert werden. Einstellbar sind bspw. das Sendeintervall oder die Schwellenwerte, bei denen automatisch eine Funkübertragung ausgelöst wird. Auch eine grafische Darstellung des Messwertes über die Zeit steht zur Verfügung. Fotos: Wika, Fotolia (buchachon, 44712788) Halle 11.1, Stand C3 www.wika.de VERFAHRENSTECHNIK 6/2018 53
Laden...
Laden...