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Verfahrenstechnik 5/2019

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VERFAHRENSTECHNIK IM

VERFAHRENSTECHNIK IM ALLTAG I SERIE Chemische Scheren Pilzenzyme filtern Medikamente aus dem Abwasser Wissenschaftler der TU Dresden entwickeln ein Biofiltersystem auf der Basis von Pilzenzymen, das kritische Chemikalien effektiv und nachhaltig aus gereinigtem Abwasser entfernt. Autorin: Katja Lesser, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit der Fakultät Maschinenwesen, TU Dresden tika können bisher überhaupt nicht herausgefiltert werden“, umreißt die Projektleiterin Dr. Anett Werner das Problem. „Noch gibt es für diese Stoffe keine gesetzlichen Grenzwerte, doch das wird sich ändern müssen. Dann steht in vielen Klärwerken in Deutschland der Ausbau einer vierten Reinigungsstufe an. In der Schweiz ist das an vielen Stellen schon erfolgt.“ Die Wissenschaftler der TU Dresden entwickeln ein Verfahren, das die chemischen Verbindungen der naturfremden Rückstände aufspalten kann. Dieses Biofiltersystem funktioniert auf der Basis von bestimmten Pilzenzymen. Nur Ständerpilze (Basidiomyceten) besitzen diesen Enzym- Cocktail. Sie können ringförmige chemische Verbindungen, wie sie auch die kritischen Xenobiotika besitzen, aufspalten und schließlich zu deren Entfernung beitragen. Schadstoffe abbauen „Wir wollen ein Filtersystem entwickeln, das zumindest einen Teil der Mikroschadstoffe auf natürlichem Weg entfernt. Dabei helfen uns Pilze, deren Enzyme wie chemische Scheren arbeiten. Die Scheren zerschneiden die Ringstrukturen der Medikamente, dadurch werden sie biologisch abbaubar. Wir isolieren die Enzyme, binden sie an hochporöse metallische Werkstoffe und bauen sie in Filter am Ende der Kläranlagen ein. Sobald die Enzyme nicht mehr Xenobiotika – dazu gehören Hormone, Schmerzmittel, Antibiotika, aber auch Röntgenkontrastmittel oder Industrie- und Agrarchemikalien – werden durch den Menschen über das Abwasser in die Stoffkreisläufe der Natur eingebracht. Aktuelle Studien zeigen, dass allein in Deutschland jährlich etwa 300 000 t Mikroschadstoffe in die Wasserkreisläufe gelangen. Schon in sehr geringer Konzentration haben einige dieser Stoffe nachteilige Wirkungen auf unser Ökosystem und beeinflussen die Gewinnung von Trinkwasser negativ. „Die bestehenden dreistufigen kommunalen Wasser- und Abwasserreinigungsanlagen sind nur teilweise in der Lage, diese Schadstoffe herauszufiltern. Manche Mikroschadstoffe wie zum Beispiel Anti-Epileparbeiten, werden die Kugeln entnommen, erhitzt und mit neuen Enzymen versehen“, so Werner. Für das eigentliche Biofiltersystem mussten die Wissenschaftler eine Technologie zur Immobilisierung der Enzyme auf hochporöse Träger konstruieren. Die Fixierung auf einem Träger ist wichtig, damit die Enzyme in einem Filtersystem an Ort und Stelle arbeiten können. Bisherige Laborversuche haben gezeigt, dass die Enzyme auf metallischen Hohlkugeln selbst nach acht Wochen noch aktiv sind. Dieser Zeitraum soll weiter optimiert werden. In einer Biofilteranlage müsste das Wasser etwa zwei bis acht Stunden verweilen bis die kritischen Substanzen abgebaut sind. Zudem konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass sich 15 Substanzen mithilfe der Pilzenzyme auf natürlichem Weg aus dem Wasser entfernen lassen – darunter Antibiotika, Schmerzmittel, Blutdrucksenker, Entwässerungsmittel und ein Anti- Epileptikum, für das es bisher keine praktikable technische Lösung gab. In Kürze wird das Biofiltersystem unter Realbedingungen getestet. Zukünftig soll das Verfahren auch für weitere Xenobiotika, wie Bisphenol-A, verschiedene Antibiotika und Pestizide optimiert werden. Foto: Anett Werner/TU Dresden www.tu-dresden.de/mw 42 VERFAHRENSTECHNIK 5/2019

VORSCHAU IM NÄCHSTEN HEFT: 6/2019 ERSCHEINUNGSTERMIN: 17. 06. 2019 • ANZEIGENSCHLUSS: 29. 05. 2019 01 02 03 01 Bei einem Stahlhersteller sollte die Kontamination des Kühlwassers mit Eisenfragmenten, Sand und Mineralienpartikeln verringert werden, um Produktionsausfälle zu vermeiden 04 02 Eine Unternehmensberatung hat eine Methode zur Reduzierung der Durchlaufzeiten im Anlagenbau entwickelt, um die Time to Market zu beschleunigen 03 Zuverlässige Industriegetriebe sorgen für schonende Mischprozesse in der Lebensmittelverarbeitung 04 Optische Gasdetektion zum Messen des Füllstands in explosionsgefährdeten Bereichen Der direkte Weg (Änderungen aus aktuellem Anlass vorbehalten) Internet: www.verfahrenstechnik.de E-Paper: digital.verfahrenstechnik.de Redaktion: redaktion@verfahrenstechnik.de VERFAHRENSTECHNIK 5/2019 43