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Verfahrenstechnik 5/2019

Verfahrenstechnik 5/2019

KOMPONENTEN UND SYSTEME

KOMPONENTEN UND SYSTEME I TITEL Wenn’s hart auf hart kommt Werkstoffkombination und technische Auslegung ermöglichen ungewöhnlichen Einsatz von Zahnradpumpen Der Betreiber einer Anlage zur Wasserstoffgewinnung war auf der Suche nach einer Pumpenlösung. Aufgrund guter Betriebserfahrungen mit Zahnradpumpen wollte der Kunde auch für diese Anwendung eine Zahnradpumpe – obwohl die geforderten Betriebsdaten eigentlich gegen den Einsatz einer Zahnradpumpe sprechen. tile. Saug- und Druckseite trennt lediglich die dichtende Wirkung von möglichst kleinen Spalten zwischen den Zahnrädern und dem Gehäuse voneinander. Aufgrund guter Betriebserfahrungen mit Zahnradpumpen für deionisiertes Wasser, die in einer verwandten Anwendung des Betreibers im Einsatz sind, war dieser jedoch überzeugt, dass es zu einer Zahnradpumpe an dieser Stelle im Prozess keine sinnvolle Alternative gibt. Da der Pumpenbauer Witte nicht nur Zahnradpumpen-Lieferant, sondern auch Entwicklungs- und Technologiepartner seiner Kunden ist, gingen Betreiber und Lösungsanbieter dieses Vorhaben als gemeinsames Entwicklungsprojekt an. Erschwerte Rahmenbedingungen Neben den bereits genannten Herausforderungen kamen noch einige erschwerende Rahmenbedingungen hinzu: Eine erhöhte Betriebstemperatur, Atex-Umgebung und Anforderungen an die magnetische Signatur sowie eine Schockfestigkeit gegenüber hohen G-Kräften stellten die Ingenieure vor eine knifflige Aufgabe. Die für die Funktion erforderlichen Spiele in der Pumpe lassen sich nur mit einer innengelagerten Zahnradpumpe, also mit mediengeschmierten Lagern verwirkli­ Folgende Anforderungen wurden an die Pumpe gestellt: Zu fördern sind zwei Medien, zum einen Methanol und zum anderen Wasser, bei einem Differenzdruck von 34 bar. Dabei soll die Pumpe pulsationsfrei und vor allem geräuscharm arbeiten. Einsatzgebiet der Pumpen ist ein Prozess für die Wasserstoffgewinnung, bei dem der Wasserstoff in einem Methanolreformer entsteht. Die vorliegenden Viskositäten waren für den geforderten Differenzdruck viel zu gering, um eine klassische Zahnradpumpe einsetzen zu können. Denn solche Pumpen verfügen bauartbedingt über keinerlei Venchen. Extrem geringviskose Medien – wie im Anwendungsfall Wasser oder Methanol – sind als Schmiermedium in den Gleitlagern relativ schlecht geeignet. Höherviskose Medien und geringe Lagerbelastungen begünstigen den Aufbau eines hydrodynamischen Schmierfilms – zwei Bedingungen, die bei dieser Anwendung nicht gegeben sind. Aufgrund dieser Tatsache und der Betriebsweise der Pumpen ist also nicht auszuschließen, dass es zu einer Mangelschmierung und somit zu einer Mischreibung in den Gleitlagern kommen kann. Interessante Werkstoffpaarung Klassischerweise finden in Gleitlagern unterschiedliche Werkstoffe Anwendung: Ein harter und ein weicher Werkstoff mit gewissen Notlaufeigenschaften wirken Beschädigungen durch Mangelschmierung entgegen. Dabei wird im Fall der Fälle der weichere Werkstoff „geopfert“. Das Resultat der Mangelschmierung geht mit einer Änderung der Geometrie einher. Für die Pumpe bedeutet das aufgrund der extrem geringen Spiele Autor: Carsten Pump, Leiter Verkauf Pumpen und Systeme, Witte Pumps & Technology, Tornesch 16 VERFAHRENSTECHNIK 5/2019

TITEL I KOMPONENTEN UND SYSTEME 01 02 03 01 Hohe Beständigkeit: Als Werkstoff für die Zahnräder kommt SiC zum Einsatz 02 Dosierpumpen mit Magnetkupplung eignen sich für den Einsatz in Atex-Umgebungen 03 Um den hohen Differenzdruck zu erreichen, baute der Hersteller ein Verbundsystem in einer Größenordnung von einigen Mikrometer – die für die Funktion der Pumpe unabdingbar sind – einen nicht unerheblichen Schaden. Um diesem vorzubeugen und das Risiko zu minimieren, fiel die Werkstoffwahl auf eine „Hart/Hart-Kombination“. In der Vergangenheit hat sich diese Kombination aus Wellen/Zahnrädern und Lagern aus SiC in ähnlichen Anwendungen bereits bewährt. Neben den Lagerstellen profitieren auch die Zahnflanken von dieser Werkstoffpaarung. Diese sind aufgrund des hohen Differenzdruckes großen Belastungen im Bereich der Kontaktlinie zu dem jeweils anderen Zahnrad ausgesetzt. Doch auch hier gilt: Wo Licht ist, ist auch Schatten: SiC hat im Vergleich zu den metallischen Werkstoffen, die bspw. als Gehäusewerkstoff zum Einsatz kommen, einen vergleichsweise geringen thermischen Ausdehnungskoeffizienten. Das bedeutet, dass sich bei steigender Temperatur die Spiele in der Pumpe vergrößern und der Wirkungsgrad signifikant abnimmt. Spezielle Gehäusegeometrie Abhilfe schafft hier eine spezielle Gehäusegeometrie mit einer Temperaturkompensation. Voraussetzung für die Auswahl eines solchen Präzisionsbauteils ist allerdings die genaue Kenntnis der Temperaturentwicklung und -verteilung innerhalb der Pumpe. Andernfalls besteht die Gefahr, die Spiele überzukompensieren, und somit kann es zu einem Klemmen der Pumpe kommen. Im Projektverlauf hatten sowohl die Berechnungen als auch die begleitenden Versuche gezeigt, dass die Aufgabe nicht für alle erforderlichen Betriebspunkte von einer einzelnen Pumpe zu erfüllen war. Speziell die Regelbarkeit des Volumenstromes war stark eingeschränkt. Die Lösung dieses Problems lag in der Auswahl eines für Zahnradpumpen ungewöhnlichen Anlagendesign. Die Wahl fiel auf ein zweistufiges Zahnradpumpensystem mit zwei getrennt angetriebenen Aggregaten. Jede der beiden Pumpen muss daher nur noch den halben Differenzdruck generieren. Der Effekt: Der volumetrische Wirkungsgrad jeder Pumpe verbesserte sich drastisch, wodurch auch die in das Medium eingebrachte Energie sank. Was bei einem kritischen Medium wie Methanol einen besonderen Vorteil bringt, denn der Siedepunkt von Methanol liegt mit rund 65 °C nah an der Betriebstemperatur. Zweifelsfrei führt die zweite Pumpe des Systems weitere Energie zu. Durch den hier höheren Systemdruck – aufgebracht von der ersten Pumpe – verschiebt sich jedoch der Siedepunkt in einen absolut unkritischen Bereich. Unbedingt magnetgekuppelt Um die Pumpen auch bei den geforderten hohen Systemdrücken sicher einsetzen zu können, ist der Einsatz einer Magnetkupplung unabdingbar. Die Magnetkupplung ist ein berührungsloser Antrieb, der – neben den gewohnten Vorteilen wie Wartungsfreiheit und hermetischer Abdichtung – eine axiale Entlastung der Antriebswelle ermöglicht. Der hohe Systemdruck führt beim Verwenden eines konventionellen Dichtsystems wie einer Gleitringdichtung zu einem Axialschub auf die Antriebswelle, der die Belastbarkeit der Axiallager übersteigt. Dieser Axialschub ist ein Produkt aus der Stirnfläche der Welle und dem Systemdruck. Die antriebsseitige Stirnfläche ist atmosphärischen Druckverhältnissen ausgesetzt, während die nicht antriebsseitige Fläche hingegen dem saugseitigen Druck Eine erhöhte Betriebstemperatur, Atex-Umgebung und Anforderungen an die magnetische Signatur sowie eine Schockfestigkeit gegenüber hohen G-Kräften stellten die Ingenieure vor eine knifflige Aufgabe. Carsten Pump der Pumpe ausgesetzt ist. Beim Einsatz einer Magnetkupplung sind hingegen beide Stirnseiten dem Systemdruck ausgesetzt und daher frei von Axialkräften. Das entwickelte System aus magnetgekuppelten Pumpen in Kombination mit keramischen Bauteilen hat den Einsatz in einer für Zahnradpumpen untypischen Anwendung möglich gemacht. Die Pumpensysteme verrichten seit nunmehr zwei Jahren zuverlässig ihren Dienst und sollen – so denn die Versuche der Gesamtanlage den gewünschten Erfolg bringen – als Standardausrüstung für diesen Anlagentyp definiert werden. Fotos: Witte, Fotolia (#60845971, industrieblick) www.witte-pumps.com VERFAHRENSTECHNIK 5/2019 17