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Verfahrenstechnik 4/2015

Verfahrenstechnik 4/2015

BETRIEBSTECHNIK

BETRIEBSTECHNIK Durchleuchtung bei laufendem Betrieb Verfahrenstechnische Anlagen zerstörungsfrei prüfen Alexander Lieber, Jan Hinrichs Mit der digitalen Radiografie lassen sich Rohre und Schweißnähte schnell und präzise prüfen – direkt vor Ort und ohne Komponenten ausbauen zu müssen. Für den Betreiber einer Chemieanlage wurden mit diesem Verfahren Rohrkompensatoren in nur eineinhalb Stunden geprüft. Das schafft die Basis für präzisere Lebensdauer-Prognosen und spart so Kosten. Risse, Einschlüsse und andere Unregelmäßigkeiten in Schweißnähten können hohe Folgekosten verursachen, wenn sie nicht rechtzeitig erkannt werden. Gleiches gilt für Rohre, deren Wanddicke aufgrund ihrer Betriebsbeanspruchung im Laufe der Zeit zu gering geworden ist. Genaue Befunde und eine verlässliche Datenbasis helfen hier, die Lebensdauer zu prognostizieren sowie Prüf- und Instandhaltungspläne zu optimieren. Das bedeutet nicht nur eine höhere Sicherheit und Verfügbarkeit der Anlage, sondern auch Effizienzgewinne und mögliche Kosteneinsparungen in der Turnaround-Praxis. Im Einzelfall können Prüffristen sogar verlängert werden. Ohne Unterbrechung und zeitnah Eine Herausforderung bei vielen konventionellen zerstörungsfreien Prüfverfahren ist die notwendige Unterbrechung des Betriebs und der Ausbau der Komponenten. Hinzu kommt bei analogen Röntgenverfahren die Filmentwicklung, die neben Chemikalien und Dunkelkammer auch einen erheblichen Zeitaufwand erfordert. Moderne digitale Technologien hingegen ermöglichen On- Stream Prüfungen, bei denen der Betrieb nicht unterbrochen werden muss. Autoren: Alexander Lieber, Leiter Werkstofftechnik, Jan Hinrichs, Gruppenleiter ZfP, beide TÜV SÜD Chemie Service GmbH, Frankfurt Diese Methoden sind somit mobil einsetzbar und liefern einen sofortigen Befund vor Ort. Da die Filmentwicklung entfällt, stehen Daten zeitnah zur Verfügung und können digital in bestehende Dokumentationssysteme und andere Applikationen integriert werden. Zudem gestattet die elektronische Erfassung eine verbesserte Bildanalyse durch Bildbearbeitung und Filter. Damit wird eine höhere Datenqualität erreicht, die in der Praxis genauere Aussagen ermöglicht. Zunächst für die Medizin entwickelt, wird die digitale Radiografie seit einigen Jahren vermehrt auch in der Industrie angewendet. Sie ermöglicht den Blick ins Innere auch bei geschlossener Oberfläche. Durchstrahlt werden können sowohl beschichtete Anlagen-Komponenten als auch lackierte Schweißnähte und isolierte Rohre. Durch die unterschiedliche Strahlungsabsorption innerhalb des Objekts werden Unregelmäßigkeiten sichtbar, darunter Ablagerungen in Rohren sowie Rissindikationen und Einschlüsse von Gasen und Schlacken in Schweißnähten. Damit eignet sich die digitale Radiografie nicht nur für Lebensdauerprognosen, sondern auch für die Design optimierung und die Ursachenanalyse bei Ausfällen. Fallbeispiel Wanddickenbestimmung Ein deutscher Chemieanlagenbetreiber beauftragte Experten von Tüv Süd Chemie Service mit der Revision einer Dampfrohr- leitung. Vier Rohrkompensatoren aus einer Chrom-Nickel-Stahllegierung sollten untersucht werden, um die noch zulässige Betriebsdauer zu ermitteln. Im laufenden Betrieb waren sie einem Druck von 50 bar ausgesetzt. Die Verbindungsstücke hatten einen Innendurchmesser von 10 cm und einen Außendurchmesser von 15 cm. Auf Grund lage der Prüfergebnisse sowie dem alters- und betriebsbedingten Verschleiß konnten die Verantwortlichen prognos tizieren, wie lange die Rohre noch weiter betrieben werden können, ohne die Sicherheit und Verfügbarkeit der Anlage zu beeinträchtigen. Die gesamte Untersuchung, einschließlich des Geräteaufbaus und der Datenauswertung, dauerte nur 1,5 Stunden, wobei lediglich 15 Minuten auf die eigentliche Durchstrahlung entfielen. Die Prüfgeräte verwendeten ein Iridium 192-Isotop als Strahlenquelle sowie Filmplatten, einen Strahler mit Halterung sowie eine Scanner- Einheit. Der genaue Prüftermin wurde im Vorfeld mit dem Betreiber abgestimmt, sodass Maßnahmen zum Strahlenschutz und zur Betriebssicherheit getroffen werden konnten. Dazu gehörte auch die Verständigung von örtlichen Strahlungsmessstellen, um mögliche auftretende Warnmeldungen verlässlich interpretieren zu können. Darüber hinaus wendeten die Prüfer Dosimeter an, um die Strahlungsbelastung während des Messvorgangs zu kontrollieren. Alle Ergebnisse können in einem mobilen Prüflabor ausgewertet werden. 36 VERFAHRENSTECHNIK 4/2015

Direkte Anwendung vor Ort möglich Ein wesentlicher Vorteil des Verfahrens liegt gerade in dieser direkten Anwendung vor Ort. Ohne die Komponenten ausbauen zu müssen, wurden die Strahlungsquelle und die Belichtungsplatten um die Rohrkompensatoren herum angeordnet. Unter Beachtung der Richtwerte wurde der Strahler in einem Abstand von 60 cm von den Rohren installiert. Um die Messgenauigkeit sicherzustellen, verwendeten die Sachverständigen einen Referenzkörper, der auf den belichteten Aufnahmen sichtbar ist. Zugleich wurden die Messpunkte in den Bilddateien elektronisch gekennzeichnet und beschriftet, um die Auswertung für den Betreiber leichter nachvollziehbar zu machen. Da die Aufnahmen direkt in ein Standarddateiformat umgewandelt wurden, waren sie zeitnah vermess- und auswertbar. Im Fallbeispiel lagen die Restwanddicken der vier Kompensatoren zwischen 1,8 und 5,1 mm, wobei Wanddicken unter 2,5 mm genauer untersucht wurden. Zusammen mit den Ergebnissen vorheriger Prüfungen war es mithilfe dieser Daten möglich, die verbleibenden Restlebensdauern zu bestimmen. Diese wiederum bildeten für den Betreiber eine wichtige Entscheidungsgrundlage für seine Stillstandsund Instandhaltungsplanung. Letztlich profitiert das Unternehmen von höherer Anlagensicherheit und Verfügbarkeit bei gleichzeitiger Kosteneffizienz. Vorteile der digitalen Radiografie Bei der digitalen Radiografie mit Speicherfolien oder Flachdetektoren sind gegenüber konventionellen Methoden sowohl die Auflösung als auch die Dynamik höher – damit können Details deutlicher erkannt und exakter bewertet werden. Hinzu kommen elektronische Bildverarbeitungsverfahren und die Möglichkeit, Originalbilder bei Bedarf weiter zu vergrößern. Neben der höheren Aussagefähigkeit verringert sich zugleich die Notwendigkeit von Zweitaufnahmen, was weitere Zeit und damit auch Kosten einspart. Wie im Fallbeispiel aufgezeigt, ermöglicht der Wegfall von Dunkelkammern und Entwicklungszeiten den mobilen Einsatz, bei dem alle Geräte in einem Fahrzeug transportiert und direkt vor Ort angewendet werden können. Dies bedeutet auch, dass Verbrauchsmaterialien wie Entwickler und Chemikalien gespart werden können. Da die Ergebnisse elektronisch gespeichert werden, stehen sie zeitnah und übergreifend zur Verfügung – auch über einzelne Unternehmensabteilungen hinaus. Der effiziente Informationsfluss kann auf diese Weise auch neue Schnittstellen erschließen, z. B. zur Geschäftsplanung, Risikoanalyse und Projektabwicklung. Um jedoch das Potenzial der digitalen Radiografie in der Praxis voll auszuschöpfen, ist ein qualifizierter Umgang mit den Prüfgeräten und den Prüfanzeigen unerlässlich. Ohne hinreichendes Know-how besteht die Gefahr von fehlinterpretierten Ergebnissen. Das kann wiederum zu Folgekosten z. B. durch unverhältnismäßige Sanierungsaufkommen führen. Denn mit steigender Genauigkeit werden auch vermeintliche Fehlstellen deutlicher sichtbar. Hier gilt es, zuverlässig zwischen kritischen und nicht kritischen Befunden zu unterscheiden und die Integrität der Komponente richtig einzuschätzen. Das trifft zum einen auf Bauteile zu, die statisch relevant sind, insbesondere aber auf solche, die dynamisch belastet werden. Fazit: Zuverlässig und kosteneffizient Werden die höheren Anforderungen an das technische Personal berücksichtigt, dann ermöglichen die Verfahren der digitalen Radiografie Rohre, Schweißnähte und Bauteile immer zuverlässiger und kosteneffizienter zu untersuchen. Dies gilt sowohl vor Inbetriebnahme als auch bei bestehendem Einsatz. Neutrale Experten unterstützen hier Betreiber, um zuverlässige Aussagen zur Lebensdauer zu treffen und maximal zulässige Prüffristen zu bestimmen. Fotos: Fotolia, Tüv Süd www.tuev-sued.de/chemieservice Anspruchsvolle GradwanderunGen ACHEMA 2015 Halle 4.2, Stand B49 Unistat ® Temperiersysteme • Arbeitstemperaturen: -125°C bis +425°C • Kälteleistungen: 0,7 kW bis 130 kW • Hohe Temperaturkonstanz: 0,01 K • Einzigartige Thermodynamik • Extrem schnelle Temperaturänderungen • Brillanter 5,7“ Touchscreen-Regler • Temperieren ohne Fluidwechsel • Über 60 Serienmodelle verfügbar -125...+425°C Unistate sind die ideale Lösung für anspruchsvolle Temperieraufgaben in der Prozess- und Verfahrenstechnik wie zum Beispiel für die Temperierung von Reaktoren, Autoklaven, Miniplant- und Pilotanlagen, Reaktionsblöcken oder Kalorimetern. Im mobilen Prüflabor unterwegs zum Kunden Peter Huber Kältemaschinenbau GmbH Werner-von-Siemens-Straße 1 • 77656 Offenburg Telefon +49 (0)781 9603-0 • info@huber-online.com www.huber-online.com