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Verfahrenstechnik 3/2017

Verfahrenstechnik 3/2017

MESSEN, REGELN,

MESSEN, REGELN, AUTOMATISIEREN I TITEL Vernetzt und standortunabhängig Herstellung von Babynahrung mit einem SAP MES-System Produzierende Unternehmen mit mehreren Standorten benötigen für das bevorstehende Industrie-4.0-Zeitalter ein einheitliches Manufacturing Execution System (MES). Nur so lassen sich Produktions- und Geschäftsprozesse effizient vernetzen und standortunabhängig einheitlich durchführen, um zum Beispiel die Produktqualität und -sicherheit zu steigern. Der Lebensmittelhersteller Hipp beweist, wie so eine SAP-Lösung in der Produktion erfolgreich umgesetzt werden kann. Hipp setzt für sein Fertigungsmanagementsystem auf SAP Manufacturing Integration and Intelligence (SAP MII) mit dem Implementierungspartner IGZ – dem SAP- Projekthaus für Produktion. Für die unternehmensweiten Rollouts wurde ein MES- Template entwickelt, das am Pilotstandort in Kroatien erstmals zum Einsatz kommt. Autor: Holger Häring, Bereichsleiter Verkauf, IGZ Ingenieurgesellschaft mbH, Falkenberg Mit dem Wachstum der Firma Hipp stiegen in Bezug auf Produktsicherheit und Rückverfolgbarkeit sowohl die eigenen Qualitätsansprüche als auch die der Kunden. Stetig neue Vorgaben des Gesetzgebers in den unterschiedlichen Zielmärkten und die damit verbundenen Dokumentationspflichten führten in der Produktion ebenfalls zu einem hohen administrativen Aufwand, sodass der Handlungsdruck für eine IT-gestützte Fertigung immer größer wurde. Viele Arbeitsprozesse beruhten auf handschriftlichen Dokumentationen, die darüber hinaus von den Mitarbeitern in die jeweiligen Systeme eingepflegt werden mussten. Konkret sind dies etwa Auftragsund Kontrollpapiere, die in den einzelnen Produktionsschritten anfallen und deren Daten die Mitarbeiter manuell in SAP ERP oder diversen Insel-Systemen nacherfassen mussten. Hinzu kam, dass keine durchgängige Plattform für Prozessoptimierungen auf Shopfloor-Ebene existierte. Jeder Produktionsstandort betrieb selbstbeschaffte, auf die jeweiligen Anlagen angepasste, proprietäre Lösungen, um zum Beispiel Leistungsdaten zu erhalten oder die Versorgung von Komponenten für Fertigprodukte zu steuern. „Das erschwerte zum einen die Anbindung der einzelnen Standorte an SAP ERP, da wir immer wieder neue Schnittstellen entwickeln mussten, und zum anderen den werksübergreifenden IT-Support, weil proprietäre Blackbox-Lösungen im Rahmen von Verbesserungsinitiativen nur schwer zu optimieren sind“, erinnert sich Donal Doyle, IT-Leiter bei Hipp. Ihm, seinem Team und in der Folge auch den Produktionsverantwortlichen war klar, dass eine für alle Standorte gemeinsame Lösung gefunden werden

musste, mit der Fertigungsprozesse gruppenweit standardisiert werden können. Papierlose Fertigung So kristallisierte sich die IT-Abteilung als wesentlicher Treiber für eine Gesamt- Gruppenlösung heraus, um die vertikale Integration der unterschiedlichen Unternehmensebenen, angefangen vom Vertrieb bis hinunter zum Shopfloor, umzusetzen. „Weitere lokale Initiativen und Insellösungen hätten uns nicht weitergebracht“, sagt Doyle. Also entschied sich Hipp für die Einführung einer MES-Lösung. Das Ziel: die papierlose Fertigung durch eine systemgeführte Produktion. Dadurch fallen administrative Tätigkeiten, wie der Druck und die Verteilung von Papieren sowie Datenübertragungen weg, was zu einer erheblichen Zeitersparnis führt. Und es gibt weitere Vorteile: Durch eine systemgestützte Erfassung von Qualitätsund Produktionsdaten steigt die Produktsicherheit, auch mit Blick auf die für Hipp wichtige Rückverfolgbarkeit sowie Prozessverriegelung. Aktuelle Informationen 01 Der Weg vom Rohstoff zum Endprodukt soll jetzt in der gesamten Hipp-Gruppe mittels SAP MES und IGZ Best Practices Fill + Pack einheitlich verfolgt werden 02 Gerade in der Lebensmittelindustrie wird durchgängige Rückverfolgung vom Gesetzgeber gefordert und ist auch Grundlage von langfristigem Verbrauchervertrauen aus der Fertigung sowie ein durchgängiger Informationsfluss vor Ort sorgen zudem für erhöhte Prozessdurchläufe. Und zu guter Letzt strebt Hipp eine Kostenersparnis durch die Verwendung von Templates an, die in allen Werken Anwendung finden sollen. Da SAP ERP bereits werksübergreifend im Einsatz war, fiel die Entscheidung nach Evaluierung diverser Alternativen auf SAP MII, um die Produktions- und Geschäftsebene in Echtzeit und gruppenweit zu vernetzen. Einer der Hauptgründe für die Wahl von SAP MII: Hipp kann internes und zentrales Know-how für die Entwicklung eigener Anwendungen aufbauen. Etwaige Ergänzungen für eine Non-SAP-Lösung sind nur durch den jeweiligen Entwickler möglich. Das dafür notwendige Know-how wäre also wieder, wie bei den bisher genutzten Blackbox-Lösungen, nur lokal vorhanden. Darüber hinaus wird durch den Aufbau internen Know-hows auch sukzessive die Abhängigkeit des Unternehmens von externen Dienstleistern reduziert – ein nicht zu verachtender Kostenpunkt. Hohe Projektakzeptanz Als Pilotprojekt wurde das Werk im kroatischen Glina ausgewählt. Hier produziert Hipp Bio-Babykost und verarbeitet dafür Zerealien und Trockenprodukte. Die sorgfältige Auswahl von Rohstoffen sowie die Qualitätssicherung über den gesamten Herstellungsprozess sind für das Unternehmen zentrale Faktoren, um eine möglichst hohe Produktqualität bieten zu können. Als Implementierungspartner wählte Hipp das auf Produktion und Logistik spezialisierte SAP-Projekthaus IGZ aus dem oberpfälzischen Falkenberg aus. „Wir haben ziemlich schnell gemerkt, dass wir mit den IGZ-Profis auf einer Wellenlänge sind“, sagt IT-Chef Doyle. „Natürlich haben uns auch das Know-how und die Erfahrung bei der Umsetzung von MES-Projekten überzeugt.“ Um die SAP MES-Lösung an jedem Standort in das vorhandene SAP ERP zu integrieren, haben Doyle und sein Team zusammen mit den Experten von IGZ die Grundfunktionen für ein einheitliches Gruppen-Template entwickelt, das unter anderem eine In-Process-Control (IPC), einen Plant-Information-Catalog (PIC) für Anlagenkonfigurationen oder auch SAP PP/ PI-Steuerrezepte enthält, die Dialoge für die Abarbeitung von Fertigungsanweisungen formulieren – sogenannte Electronic Work Instruction oder kurz EWI-Dialoge. Neben weiteren zentralen Template- Funktionen zur Rückverfolgbarkeit des Herstellprozesses und Anbindung der technischen Shopfloor-Komponenten wurde aber bewusst auch die Möglichkeit zur Konfiguration von standortspezifischen MES-Verhalten geschaffen. So können z. B. Arbeitsanweisungen oder Schichtinformationen auch dezentral und lokal gepflegt werden. Dieses Template soll auf alle Produktionsstandorte ausgerollt werden. Durch eine zentrale Finanzierungsstrategie der Template-Entwicklung stellt Hipp sicher, dass die finanzielle Belastung nicht allein auf dem Pilotprojekt liegt. Stattdessen werden die durch die Einführung von SAP MII entstehenden Kosten zwischen dem kroatischen Werk als Piloten und den anderen Produktionsstätten, die die Lösung implementierten, verteilt. „Diese Herangehensweise war besonders wichtig, um gruppenweit eine hohe Akzeptanz unserer MES-Strategie zu erreichen“, erklärt Doyle. Erste positive Erfahrungen Am Pilotstandort in Kroatien wurde die erste Phase der MES-Einführung inzwischen beendet. Der Shopfloor ist über SAP MII an SAP ERP angebunden, Verwiege- und Kommissionsprozesse laufen systemgesteuert ab. Der Standort festigt damit seine Spitzenposition in Kroatien hinsichtlich dokumentierter Qualitätsstandards in der Nahrungsmittelindustrie. Das Resümee fällt durchweg positiv aus. Durch die festgelegten Ausschreibungsvorgaben für Anlagenanbieter, die sich nun an den Weihenstephaner-Standard halten müssen, erwartet Hipp eine weitere Reduzierung der Schnittstellenfülle zu den technischen Systemen. Auch der Aufbau von internem Know-how hat begonnen, sodass der Anteil der Projekt-Eigenleistungen in Zukunft steigen wird. „Außerdem wird der zukünftige IT-Ressourcenbedarf von den Produktionsanforderungen abhängen und nicht von der MES-Lösung“, ergänzt Doyle. „Wir haben auch die passende Manpower ausgewählt, um den gruppenweiten Rollout stemmen zu können – auch dank der professionellen Projektdurchführung von IGZ.“ Für den weiteren Verlauf des MES-Projekts sehen Doyle und sein Team optimistisch in die Zukunft. www.igz.com VERFAHRENSTECHNIK 3/2017 25