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Verfahrenstechnik 3/2016

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TOP-THEMA I ARMATUREN

TOP-THEMA I ARMATUREN UND DICHTUNGEN Norsok M-710 Standard Test bestanden Dichtungswerkstoffe mit Norsok-Standard bieten Sicherheit bei explosiver Dekompression Michael Krüger Immer mehr Anwender haben Probleme mit Schäden an Elastomer dichtungen, die durch explosive Dekompression auftreten. Konventionelle Elastomerdichtungen können bei plötzlichem Druckabfall stark beschädigt und undicht werden. Lange Maschinenstillstandszeiten und hohe Reparaturkosten sind die Folge. Autor: Dipl.-Ing. (FH) Michael Krüger, Leiter Anwendungstechnik, C. Otto Gehrckens GmbH & Co. KG, Pinneberg Der Norsok M-710 Standard wurde von der norwegischen Öl- und Gasindustrie entwickelt und ist ein Verfahren zur Prüfung der Beständigkeit von Dichtungswerkstoffen gegen explosive Dekompression. Es handelt sich hierbei um den führenden internationalen Standard für AED- Anwendungen. Der Test simuliert Extremsituationen, und nur absolute Hochleistungsdichtungen, die für diese Anforderungen entwickelt wurden, können diesen Test bestehen. Für den Konstrukteur und Anwender ist der Norsok-Test gleichzusetzen mit einem Sicherheitsstandard bei AED-Anwendungen. Hochwertige Elastomerdichtungen kommen als wichtige, weil sicherheitsrelevante Komponenten in unterschiedlichsten Bereichen der Industrie zum Einsatz und müssen zum Teil besonderen Anforderungen genügen. Viele Hersteller und Betreiber in der Gas- oder Chemie-Industrie sowie die Hersteller von Zulieferbauteilen haben insbesondere bei starkem Druckabfall im Medium Gas häufig Leckageprobleme mit Elastomerdichtungen. Hier müssen diese Dichtungen gasförmige Medien wie Kohlendioxid, Erdgas, Stickstoff, Helium und Wasserstoff bei Drücken von mehr als 30 PN/30 bar und bei plötzlichem Absinken (innerhalb weniger Sekunden) speziellen Anforderungen widerstehen, um gegen diese Medien sicher abdichten zu können. In einigen Anwendungen können die Drücke bis zu PN 400/400 bar erreichen. In diesen Anwendungen dürfen nur speziell getestete Werkstoffe zum Einsatz kommen. So schreibt die Norm DIN EN14141 für Erdgasleitungen vor, dass nichtmetallische Teile von Armaturen, wie zum Beispiel elastomere Dichtungen, gegenüber explosiver Dekompression beständig sein müssen. Solche Bedingungen treten in unterschiedlichen Bereichen der chemischen Industrie und Verfahrenstechnik auf, wie zum Beispiel in Pumpen, Rohrleitungen, Verbindungen oder Armaturen. Explosive Dekompression Was ist explosive Dekompression und wo tritt dieses Phänomen auf? In erster Linie sind hiervon Dichtungen betroffen, die gegenüber gasförmigen Medien abdichten müssen, wenn das Gas von einem hohen Druckniveau innerhalb von kurzer Zeit auf ein niedriges absinkt. Elastomere sind permeabel für Gase, Dämpfe und Flüssigkeiten, sodass Gase unter Druck in das Dichtungsmaterial eindringen. Bei einem starken Druckabfall kann das Medium nicht schnell genug aus dem Dichtungswerkstoff entweichen. Dadurch wird die Dichtung so stark beschädigt, dass sie nicht mehr abdich ten kann. 26 VERFAHRENSTECHNIK 3/2016

ARMATUREN UND DICHTUNGEN I TOP-THEMA Der Druckabfall ist die Ursache für die Beschädigung der Elastomerdichtung, die beispielsweise durch Blasenbildung an der Oberfläche visuell leicht zu erkennen ist. Dieses Phänomen ist auch als „explosive Dekompression“ (ED) bekannt. Herkömmliche Elastomerdichtungswerkstoffe dürfen in diesen Anwendungen nicht eingesetzt werden, da ihr Widerstand gegenüber den hier auftretenden Kräften nicht ausreichend ist. Hier müssen speziell aufgebaute Elastomere zum Einsatz kommen, die sich insbesondere durch sehr gute physikalische Eigenschaften (z. B. hoher Weiterreißwiderstand und Modul) auszeichnen. Diese Spezialprodukte werden auch AEDoder RGD-Dichtungswerkstoffe genannt („Anti-Explosive-Decompression“ oder „Rapid Gas Decompression“). Lösung Spezial-Compound 01 Ein durch explosive Dekompression beschädigter O-Ring 02 AED-Dichtungswerkstoffe Der unabhängige Hersteller für Elastomerdichtungen COG hat speziell für Anwendungen gegen explosive Dekompression verschiedene Hightech-Werkstoffe entwickelt und intensiv geprüft. Um den Anforderungen an die Dichtbeständigkeit gegen die individuellen Medien in den jeweiligen Anwendungen gerecht zu werden, genügt den Herstellern oder Betreibern eine Widerstandsfähigkeit gegenüber explosiver Dekompression alleine nicht. COG hat deshalb verschiedene Spezial- Compounds für unterschiedliche Anforderungen entwickelt: vier FKM-, zwei HNBRund zwei FFKM-Werkstoffe. Alle Compounds erfüllen dabei die Norsok-Standard-M-710- Anforderungen zur Beständigkeit gegen explosive Dekompression, zwei von ihnen eignen sich darüber hinaus auch für den Einsatz in Bauteilen oder Baugruppen mit API 6A & 6D der Ventil- und Armaturenindustrie. Zudem erfüllen einige Compounds den amerikanischen Nace-TM-0297- (Explosive Dekompression) und TM-0187- (Sauergas) -standard. Alle AED-Dichtungswerkstoffe von COG gewährleisten auch bei extremen und schnellen Druckwechseln eine dauerhafte Dichtleistung. Die Werkstoffe weisen, neben einer hohen chemischen und thermischen Beständigkeit, eine hohe Härte auf, die insbesondere bei hohen Drücken einer möglichen Spaltextrusion entgegenwirkt und so eine explosive Dekompression vermeidet. Neben vier chemisch sehr resistenten FKM- Werkstoffen hat COG zudem zwei HNBR- Compounds entwickelt, die durch eine hervorragende chemische Beständigkeit, vor allem gegen Öle und Kraftstoffe überzeugen. Darüber hinaus weisen diese Werkstoffe eine sehr gute Hitze- und Witterungsbeständigkeit als auch eine hohe mechanische Festigkeit auf. 03 Tieftemperaturtest des Werkstoffes FFKM Perlast ICE G90LT Der FKM-Compound Vi 899 ist bis zu einer Einsatztemperatur von – 46 °C geeignet und genügt daher den Anforderungen nach API 6A & 6D, die vorallem für den US.-amerikanischen Markt von Bedeutung ist. Für Tieftemperaturanwendungen bietet COG neben dem FKM-Compound Vi 899 auch einen speziellen FFKM-Compound namens Perlast ICE G90LT an. Dieser Werkstoff entspricht ebenfalls den Anforderungen nach API 6A & 6D. Dieser Dichtungswerkstoff kann sogar in Abhängigkeit von dem auftretenden Druck des abzudichtenden Mediums bis – 80 °C eingesetzt werden. Fazit Für die hohen Anforderungen an Dichtungen gegen explosive Dekompression dürfen ausschließlich nur speziell für diesen Bereich konzipierte und getestete Elastomere zum Einsatz kommen. Der Norsok-Standard ist hier ein maßgeblicher Sicherheitsindikator für Anwendungen mit explosiver Dekompression. Für sämtliche Anwendungen in industriellen Bereichen mit starkem Druckabfall können nur mit speziellen Hochleistungs-AED-Werkstoffen Beschädigungen an Elastomerdichtungen verhindert und damit kostspielige Leckagen vermieden werden. Das Problem der explosiven Dekompression darf allerdings nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss immer im Kontext mit den Anforderungen und der Resistenz des Dichtungswerkstoffes gegenüber dem abzudichtenden Medium gesetzt werden. Die Medienbeständigkeit ist aus diesem Grund bei der Auswahl des richtigen Dichtungswerkstoffes auch in diesen Einsatzgebieten unabdingbar. Deshalb ist es wichtig, mit erfahrenen Herstellern zusammenzuarbeiten, die auch über eine entsprechende Werkstoffauswahl und das Know-how auf diesem Gebiet verfügen. Nur so kann der Konstrukteur und Anwender eine optimale Dichtungslösung für seine Anwendung erhalten. Last but not least steht die Sicherheit, insbesondere die Sicherheit der in diesen Anlagen arbeitenden Menschen, an erster Stelle. Alleine deshalb ist der Einsatz von Spezial-Dichtungen in diesen Anwendungen unverzichtbar. Fotos: Depositphotos©Zoran Orcik, COG www.cog.de VERFAHRENSTECHNIK 3/2016 27