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Verfahrenstechnik 2/2025

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Verfahrenstechnik 2/2025

BETRIEBSTECHNIKTEMPERATURÜBERWACHUNG IM BIOKRAFTSTOFF-REAKTOR:MEHR ALS EINE FRAGE DER INSTRUMENTIERUNGDEM HOTSPOT KEINE CHANCEIn Biokraftstoff-Anlagen ist der Explosionsschutz von sehr großer Bedeutung.Daher muss der Herstellungsprozess vom Rohmaterial in das gewünschteEndprodukt zuverlässig gesteuert und kontrolliert werden. Der Beitrag beschreibtdie komplexen Herausforderungen in der Temperaturüberwachung und zeigt,weshalb eine sichere Messqualität nicht allein von der Instrumentierung abhängt.Die Dekarbonisierung schreitet voran. Gemäß PariserKlimaabkommen sollen der Ausstoß von Treibhausgasenbis 2030 um 45 Prozent reduziert werden und2050 das Ziel „Net Zero“ erreicht sein. Im Fokus stehtdabei vor allem die Kohlendioxid-Emissionen, verursacht vonfossilen Brennstoffen. Staatliche Regulierungen als Leitplankenentlang des Wegs zu einer CO 2-freien Atmosphäre ziehen erheblicheInvestitionen in die bislang öl- und gasverarbeitendenRaffinerien nach sich.Der Wandel eröffnet allerdings neue Chancen, beispielsweisedurch die nachhaltige Produktion von Biokraftstoffen („Biofuels“)vor allem aus Altspeiseölen und tierischen Fetten, aberauch aus Holzabfällen. Im Vordergrund steht dabei die Herstellungüber einen katalytischen Hydrodesoxygenierungsprozess.Auf diesem Weg lässt sich sowohl Diesel als auch Kerosin undNaphta gewinnen. Das ist der wesentliche Unterschied zur Methodeeiner Umesterung des Ausgangsmaterials, die nur Dieselhervorbringt.HYDROVERFAHREN: BIOMASSE VEREDELNDie Produktion im Hydro-Verfahren hingegen entspricht derNachfragentwicklung: Nach 2030 wird der Bedarf an Biokraftstoffenfür Luft- und Schifffahrt größer sein als für Pkw und Nutzfahrzeugemit Dieselantrieb. Das Angebot wächst. Aktuell sind Biofuel-Anlagenin weltweit 95 Raffinerien in Betrieb, 240 weitereAnlagen projektiert oder bereits im Bau, vor allem in Nord- undSüdamerika. Die Unternehmen investieren sowohl in Neuanlagenals auch in die Umrüstung bestehender Reaktoren. MaßgeblicheLizenzgeber sind Honeywell UOP, Lummus Technology,Neste Oil, Haldor Topsoe, Axens und UPM. Dabei ist der Herstellungsprozessin allen Fällen gleich. Das verflüssigte Feed-Materialwird in mehrstufigen Festbettreaktoren für Hydrotreating undHydroisomerisation in das gewünschte Endprodukt umgewandelt.Dies geschieht bei Temperaturen bis zu 400 °C und Drückenbis zu 65 bar. Es werden unterschiedliche Katalysatoren genutzt,meist keramisches Material mit Platin- und Rhodium-Anteil.

BETRIEBSTECHNIKDer Bedarf an flüssigen Biokraftstoffen nimmt in allen Industriespartender Mobilität zu und wird sich bis zum Jahr 2030 verdoppeln.So die Prognose der Experten. Dementsprechend nimmt auch dieHerstellung an Biokraftstoffen aus Pflanzenrohstoffen zu. EineMöglichkeit ist die Vegan-Technologie, bei der erneuerbarer Dieselund Treibstoff durch die Hydrobehandlung einer breiten Palette vonLipiden hergestellt werden kann. Dabei lassen sich nahezu alle Artenpflanzlicher Öle und tierischer Fette verarbeiten. Damit bietet sich fürHersteller eine weitere Möglichkeit, die heutigen Umweltproblemeeffektiv anzugehen und die Energiediversifizierung sicherzustellen.NICOLE STEINICKE, Chefredakteurin Verfahrenstechnik01 Für den Aufbau eines Temperaturprofils in Katalysatorbettenkommen vor allem Thermoelemente mit einer Mehrzahlflexibel positionierbarer Sensoren in Frage,wie beispielsweise Typ TC96 Flex-R von Wika0202 Fehlentwicklung im Prozess: Hotspots entstehen üblicherweisebei einer inhomogenen Verteilung des KatalysatorsUNGLEICHMÄSSIGE KATALYSATORVERTEILUNGALS GEFAHRENQUELLEBei der Prozesskontrolle und -steuerung steht die Temperaturüberwachungim Mittelpunkt. Die Betreiber benötigen ein genauesTemperaturprofil der Abläufe in den Katalysatorbetten.Nur so können sie rechtzeitig Fehlentwicklungen wie Hotspotsdetektieren. Hotspots entstehen üblicherweise bei einer inhomogenenVerteilung des Katalysators. Eine solche Maldistribution(Fehlerverteilung) kann einen Channeling-Effekt auslösen, wodurchsich an dieser Stelle im Reaktorbett die Fließgeschwindigkeiterhöht. Übersteigt als Folge der Gasanteil den Flüssigkeitsanteil,ist ein Hotspot nicht ausgeschlossen.Bei rechtzeitiger Detektion eines solchen Gefahrenherds kannder Betreiber korrigierend in den Prozess eingreifen, zumBeispiel Kühlmaßnahmen einleiten und den Durchsatz und damitdie Fließgeschwindigkeit reduzieren. Auf diese Weise lässtsich der Reaktorbetrieb bei eingeschränkter Produktion bis zumAKTUELL SIND 240 NEUEBIOFUEL-ANLAGEN WELTWEITPROJEKTIERTplan mäßigen Shutdown weiterfahren. Bleibt ein Hotspot jedochunentdeckt, kann er einen Runaway bewirken: Der Prozess istdann nicht mehr zu kontrollieren, Temperatur und Druck steigenextrem. Dies kann im schlimmsten Fall zu einer Explosion führen.WIE SICH DAS RISIKO MINIMIEREN LÄSSTEin solches Worst-Case-Szenario lässt keinen Zweifel an der Prioritäteiner ebenso zuverlässigen wie genauen Temperaturüberwachung.Im Fall der Biokraftstoff-Anlagen ist sie noch höhereinzustufen, da die Verfahren vergleichsweise jung sind. Daserste wurde im Jahr 2000 entwickelt, die ersten Anlagen folgtenab 2010. Die Betreiber können sich demzufolge nicht auf soumfassende Erfahrungswerte wie bei der Erdöl- und Erdgasver-01arbeitung stützen. Vor diesem Hintergrund schnüren Messtechnik-Herstellerwie Wika ein Komplettpaket, um Risiken zu minimierenund eine durchgehende Messqualität sicherzustellen.Das schließt neben der erforderlichen Sensorik unterstützendeLeistungen von der Installation über die Inbetriebnahme bis zumTroubleshooting durch ein qualifiziertes Serviceteam ein.Für den Aufbau eines Temperaturprofils in den Katalysatorbettenkommen in erster Linie Stufen-Thermoelemente, auchMultipoints genannt, infrage. Sie sind robust und gewährleistenschnelle Ansprechzeiten sowie die notwendigen Genauigkeiten.Diese Geräte bieten zudem eine ausgeprägte Flexibilität: Übernur einen Anschluss lassen sich mehrere Sensoren betreiben.HOHER INSTALLATIONSAUFWANDAUF BEGRENZTEM RAUMDer Installationsaufwand ist dennoch umfangreich. Je nach Verfahrenmüssen pro Reaktor bis zu 150 Messpunkte realisiert werden.Das Anbringen der Sensoren wird dadurch erschwert, dassdie Reaktoren für Biokraftstoffe aufgrund der geringeren Feed-Einträge deutlich kleiner dimensioniert sind, als bei Öl- und Gasprozessenund die Servicetechniker deswegen auf sehr engemRaum arbeiten müssen. Und um Multipoints für Radialmessungenanzupassen, braucht es außerdem eine gewisse Kraft: AlleThermoelemente im Prozess sind wegen Korrosionsgefahrdurch mögliche Fettsäuren- und Chlorbildungen mit einemAlloy-Werkstoff ausgeführt. Sie sind daher manuell schwierigerzu verlegen als mit einem herkömmlichen Schutzmantel ausEdelstahl. Die Installation der Messgeräte erfolgt generell in leerenReaktoren, in Einzelfällen auch während der Befüllung mitKatalysator unter entsprechender Schutzausrüstung.www.verfahrenstechnik.de VERFAHRENSTECHNIK 2025/02 39