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Verfahrenstechnik 12/2019

Verfahrenstechnik 12/2019

Unter Druck

Unter Druck Hochleistungsgebläse ersetzen Kompressoren bei der Schwefelsäureherstellung Radialgebläse eignen sich für viele Einsätze, die bisher Turbokompressoren vorbehalten waren. Gebläse zeichnen sich dabei vor allem durch einen größeren Betriebsbereich, eine einfachere Wartung sowie eine hohe Betriebssicherheit aus. Die Gewinnung von Schwefelsäure erfolgt heute meist durch das Doppelkontaktverfahren. Ausgangspunkt für die Schwefelsäureproduktion ist die Herstellung von Schwefeldioxid, das durch Verbrennung von Schwefel anfällt. Anschließend erfolgt die katalytische Oxidation zu Autor: Dr. rer. nat. Steffen Kuberczyk, Leiter Vertrieb Global, Piller Blowers & Compressors GmbH, Moringen Schwefeltrioxid. Letzteres wird schließlich in weiteren Schritten zu Schwefelsäure weiterverarbeitet. Im ersten Verfahrensschritt, wenn es um die Herstellung von Schwefeldioxid geht, findet der Verdichter seinen Einsatz. Flüssiger Schwefel wird in einem Schwefel­ Verbrennungsofen unter Zugabe von Luft verbrannt. Der Luft wird zuvor in Trockentürmen mit 93–98%iger Schwefelsäure die Feuchtigkeit entzogen. Der Verdichter fördert die vorgetrocknete Luft, die auch mitgerissene Säure aus dem Trocknerturm enthält, in die Brennkammer. Die erforderliche Druckerhöhung, die durch den Verdichter erzeugt wird, ist typischerweise über 50 kPa. Raue Umgebung Der Einsatz in der Herstellung technischer Schwefelsäure ist eine Herausforderung für jeden Verdichter und erfordert eine hohe Expertise. In der Schwefelsäureindustrie wurden bisher fast ausschließlich einstufige Turbokompressoren eingesetzt. Der Einsatz von Piller Radialgebläsen in einer Schwefelsäureanlage in Tschechien zeigt, dass sie es jederzeit mit den Kompressoren aufnehmen können, wenn es um Druckerhöhungen geht und darüber hinaus sogar noch weitere Vorteile bieten. Das Unternehmen hatte in seiner Säureanlage zwei Turbokompressoren im Einsatz. Einer davon als Stand-by-Anlage etwas älterer Bauart, sodass die Ersatzteilversorgung nicht mehr gewährleistet war. Eine Ersatzbeschaffung wäre teuer und mit langen Lieferzeiten verbunden gewesen. Bei dem zweiten Turbokompressor kam es immer wieder zu Schwingungsproblemen durch Anbackungen am Laufrad, d. h. die Betriebssicherheit war nicht gewährleistet. Schneller Austausch Oft kennen die Prozessbetreiber solcher Anlagen nur Kompressoren. Die Alternative, stattdessen ein Hochleistungsgebläse einzusetzen, wird nicht in Betracht gezogen, da 16 VERFAHRENSTECHNIK 12/2019

KOMPONENTEN UND SYSTEME 01 Durch eine angepasste Auslegung des Gebläsesystems können große Energieeinsparungen erzielt werden 02 Quetschöldämpfer-Lagerung sorgt für einen resonanzfreien Betriebsbereich die Kunden davon ausgehen, dass die Druckerhöhungen, die sie benötigen, von Gebläsen nicht erreicht werden können. Doch das Einkaufsgremium der Säureanlage erfuhr von der Technologie und entschied sich, den älteren Stand-by-Kompressor durch die Hochleistungsgebläse von Piller zu ersetzen und als Hauptkompressor zu nutzen. Für einen erfolgreichen Austausch der Kompressoren gab es u. a. die Anforderung, die Betriebssicherheit zu erhöhen und Stillstandzeiten zu minimieren. Die Turbokompressoren wurden sehr oft automatisch abgeschaltet, da sie zu hohe Vibrationen hatten. Wie Untersuchungen zeigten, lag dies im Wesentlichen an Anbackungen am Laufrad. Durch Vibrationen werden die Lager der Antriebe stark belastet und es kann unter Umständen sogar zur Zerstörung der Maschine führen. Das Lagerungssystem der Quetschöldämpfer bietet durch seine Technologie einen großen und resonanzfreien Betriebsbereich und die Möglichkeit, mit bestimmten Unwuchten wie sie bei Ablagerungen/An backungen entstehen, zu arbeiten. Dieses Lagerungssystem ist sehr einfach im Aufbau, extrem verlässlich und auch der Wartungsaufwand ist wesentlich geringer als bei konventionellen Kompressorlagerungen. Die Hochleistungsgebläse können optional mit einer saugseitigen Wassereindüsung ausgestattet werden, um Ablagerungen auf dem Laufrad zu verhindern. Diese Möglichkeit kommt meist dann zum Einsatz, wenn der Prozess sehr feucht ist und relativ viele Feststoffe durch das Hochleistungsgebläse gefördert werden. Speziell für diesen Prozess der Schwefelsäureproduktion – basierend auf flüssiger Schwefelverbrennung – ist extrem trockene Prozessluft unabdingbar, daher kann hier die Laufradreinigung durch Wassereindüsung nur erfolgen, wenn die Anlage im Rahmen der Wartung heruntergefahren wird. Hier bietet die Wassereindüsung den Vorteil, dass die Wartung erleichtert wird, da die Laufräder sonst meist manuell gereinigt werden. Darüber hinaus stand nur ein kleines, begrenztes Zeitfenster zur Verfügung, in dem der Ersatz der Kompressoren realisiert werden musste. Der Einbau der Hochleistungsgebläse konnte erfolgen, da das Design auf Durch die individuelle Konfiguration des Gebläsesystems lässt sich viel Energie sparen. Ruhiger Lauf modularer Bauweise mit standardisierten Komponenten unter Wahrung kundenspezifischer Anforderungen basiert. Das lässt wesentlich kürzere Lieferzeiten als für Kompressoren zu und macht den Einbau der Hochleistungsgebläse im Prinzip zu einer „Plug & Play“-Lösung. Einfache Wartung „Bei unserer Entscheidung für die Gebläse von Piller haben natürlich auch Aufwendungen für die Instandhaltung eine Rolle gespielt“, so Dipl.-Ing. Zuzana Hechtová, Mechanical Technologist der Anlage. Im Rahmen der Wartungs- und Servicefreundlichkeit hält das Gebläsedesign noch einige weitere entscheidende Vorteile bereit. Ein zusätzliches Plus ist die gute Zugänglichkeit zu den Einzelkomponenten. So können Dichtringe gewechselt werden, ohne das Laufrad auszubauen. Die Ölfilter sind während des Betriebs austauschbar, weil umschaltbare Doppelfilter verwendet werden. Sollte es dennoch im Langzeitbetrieb zu Verschleißerscheinungen kommen, besteht im Rahmen der Instandhaltung auch die Möglichkeit, das Laufrad neu auszuwuchten und sowohl das Laufrad als auch das Gehäuse vor Ort nachzuschweißen. Das verkürzt in der Wartung die Stillstandzeiten der Gebläse erheblich und erhöht die Maschinenverfügbarkeit. Schließlich sind hier Zeit- und Kostenfaktoren entscheidend, denn bei der Anschaffung von neuem Fertigungsequipment gehen die Überlegungen weit über die reinen Investitionskosten hinaus. Die Instandhaltung als Wertschöpfungsfaktor gewinnt zunehmend an Bedeutung. Überdimensionierung verschwendet Energie. Wahre Energiefresser sind dabei oft überdimensionierte Gebläse- oder Verdichtersysteme. Deshalb legt Piller jedes Gebläse kundenspezifisch exakt auf die geforderten Betriebsbedingungen aus. Durch eine sorgfältige und angepasste Konfiguration des Gebläsesystems können große Energieeinsparungen erzielt werden. Da die Effizienz abhängig vom Auslegungspunkt verschiedener Verdichter stark variiert, sollte man bereits bei der Auswahl auf die entsprechenden Kriterien achten. Fotos: Piller www.piller.de VERFAHRENSTECHNIK 12/2019 17