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Verfahrenstechnik 1/2020

Verfahrenstechnik 1/2020

BETRIEBSTECHNIK I TITEL

BETRIEBSTECHNIK I TITEL Sicherheitskultur Visualisierung von gefährlichen Gasen liefert aussagekräftige Informationen Die Technologie der optischen Gasdetektion fördert nicht nur die sichere Überwachung von Öl- und Gasanwendungen, sondern stärkt auch die Sicherheitskultur in Unternehmen. Die Mitarbeiter werden geschützt, weil sie Sicherheitsrisiken aus der Distanz überprüfen können, bevor Schäden entstehen. Außerdem werden in unsicheren Situationen Fakten ermittelt, die zu einer schnellen Problemlösung beitragen. Unternehmen, die mit gefährlichen Gasen arbeiten, müssen dafür Sorge tragen, dass die Sicherheit bei jedem Arbeitsschritt im Mittelpunkt steht und dass Sicherheitsprotokolle und -verfahren konsequent umgesetzt werden. Alle Mitarbeiter sollten die Sicherheitsrichtlinien befolgen, um sich selbst, die Kollegen und das Umfeld zu schützen. Dann können Schwachstellen vermieden werden, wenn es zu Sicherheitslücken kommen sollte. Die jüngsten Fortschritte in der optischen Gasbildgebung bieten Unternehmen aus verschiedenen Branchen die Möglichkeit, die Sicherheit zu verbessern und die Sicherheitskultur im gesamten Unternehmen zu fördern. Viele gängige Sicherheitspraktiken sind auf Ausrüstung angewiesen, die ausschließlich in einem relativ unsicheren Bereich betrieben wird. So ist der tragbare Gasdetektor ein wichtiges Instrument für den Schutz der Mitarbeiter, doch er warnt erst dann vor der Gefahr, wenn die Person, die ihn trägt, bereits mitten in einer Gaswolke steht. Das gilt auch für einige andere, eher einfachere Technologien, die Bedienern helfen, un sichere Gerätezustände zu erkennen – hier wird ein gewisses Risiko als akzeptabel und vielleicht sogar unvermeidbar in Kauf genommen. Mobile Detektionsgeräte Ein Beispiel ist die Füllstandmessung von Tanks. Hierfür müssen Mitarbeiter eine Leiter hochsteigen und über eine Wartungsbrücke gehen, um einen Messstab in die Flüssigkeit zu tauchen. Dabei stehen sie direkt über dem Tank, aus dem potenziell eine große Gasmenge unbemerkt austreten kann. In den nachgelagerten Bereichen kann sich das Risikoprofil ändern, wenn die Kohlenwasserstoffgase in Raffinerien giftiger sind als die in vorgelagerten Anlagen. Mitarbeiter, die dort einen unsicheren Bereich betreten, können daher in kürzerer Zeit oder in stärkeren Ausmaß negativen Folgen ausgesetzt werden. Eine gängige Methode zur Erkennung unsicherer Gasmengen in diesem Kontext sind tragbare Gasdetektoren. Doch selbst die am häufigsten eingesetzte Überwachungsausrüstung birgt eine gewisse Unsicherheit. Wenn ein tragbarer Gasdetektor anfängt, Signaltöne auszugeben, stellen sich folgende Fragen: Befindet sich die Person mit dem Detektor am Rand oder im Zentrum einer Gaswolke? In welche Richtung sollte sie gehen, um den Gefahrenbereich zu verlassen? Und – wichtig für die Beseitigung des unsicheren Zustands: Wo genau befindet sich das Leck? Diese Technologien sind zwar effektiv in der Erkennung von Gas, haben aber auch Nachteile. Ihre Verwendung kann in gewissem Maße das Gefühl fördern, dass „ganz okay“ gut genug ist. Autor: Steffen Neudert, Sales Manager Germany Instruments & Optical Gas Imaging, Flir Systems GmbH, Frankfurt am Main 38 VERFAHRENSTECHNIK 1-2/2020

TITEL I BETRIEBSTECHNIK 01 02 Die optische Gasdetektion Bislang lag der Fokus bei der optischen Gasdetektion (Optical Gas Imaging, OGI) auf der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften. Aufgrund von regulatorischen Parametern im Zusammenhang mit Emissionen haben Unternehmen in OGI-Ressourcen investiert, um Emissionsquellen zu identifizieren. Inzwischen verfolgen immer mehr führende Öl- und Gasgesellschaften Strategien zur freiwilligen Reduzierung von Emissionen, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Die optische Gasdetektion OGI ist eine effektive und effiziente Messtechnologie für viele hiervon betroffene Gase, insbesondere Methan. Mehr und mehr Unternehmen realisieren, dass Sicherheit nicht nur mit Umweltverantwortung einhergeht, sondern diese auch begünstigt. Die Firma Jonah Energy aus Wyoming benutzt z. B. eine GF320-Infrarotkamera zur Erkennung von Methan und VOC. Jonah Energy konnte die flüchtigen Emissionen um 75 % reduzieren und dabei Einsparungen von mehr als 5 Mio. US-Dollar verzeichnen – weit mehr als zur Kostendeckung nötig. Um ihre Emissionen weiter zu reduzieren, haben Versorgungs- sowie Öl- und Gasunternehmen mittlerweile begonnen, auch Komponenten mit OGI zu prüfen, die nicht unter die gesetzlichen Anforderungen fallen. Diese Entwicklung ist u. a. auf eine deutliche Reduzierung der Kosten für hochwertige OGI-Systeme zurückzuführen. Ungekühlte Infrarot-Bildgeber wie die Kamera GF77 sind wesentlich preiswerter erhältlich als gekühlte OGI-Modelle. Gemeinsam mit der Bereitschaft, OGI auf neue Arten zu nutzen, hat dies die Verantwortlichen dazu gebracht, das Verhältnis von Sicherheitsausrüstung und Mitarbeitern zu überdenken. Bisher wurde OGI fast nur von LDAR- Teams (Leak Detection and Repair) und in manchen Anlagen vereinzelt von EHS- Teams (Environmental Health and Safety) genutzt. Doch die nun preisgünstiger erhältlichen OGI-Handgeräte bieten auch anderen Personen wie Wartungs- und Reparaturtechnikern Zugriff auf den „sechsten Sinn“ der Gasdetektion, um die Sicherheit ihrer Arbeitsumgebung zu evaluieren. Aus sicherer Entfernung Ein wesentlicher Sicherheitsnutzen, der auch der Sicherheitskultur zugutekommt, ist die Sichtweite von OGI-Kameras. Anders als mit anderen Werkzeugen können unsichere Situationen mit einer OGI-Kamera aus sicherer Entfernung visualisiert werden. So können Raffineriearbeiter bspw. feststellen, ob sich in einem Bereich giftiges Gas angesammelt hat, ohne diesem ausgesetzt zu werden – wie es mit einem tragbaren Gasdetektor mit Warnton der Fall wäre. Ebenso können Mitarbeiter vor der Füllstandmessung großer Tanks deren Emissionseigenschaften beurteilen, bevor sie sich in eine potenzielle Wolke begeben. Mithilfe von OGI können Mitarbeiter die Umgebung einfach in Windrichtung nach Gas absuchen und bei Bedarf eine sicherere Position auf der Wartungsbrücke wählen. Die Technologie liefert Mitarbeitern präzise, aussagekräftige Informationen über Gefahren in der unmittelbaren Umgebung, ohne sie selbst in Gefahr zu bringen. Auch aus analytischer Sicht und für den Teamgedanken ist OGI wertvoll. Durch den Vergleich der Ergebnisse verschiedener Kameras können Bediener Übereinstimmungen zwischen fehlerhaften Komponenten ermitteln und so die Grundursache des Problems herausfinden. Die OGI kann z. B. Hinweise liefern, die Nutzern helfen, falsche Parameter wie Druckwerte zu erkennen. Oder vielleicht fällt eine bestimmte Komponentenart in einem Bereich immer wieder aus. Da Kameras wie die GF77 für die Temperaturmessung kalibriert sind, helfen sie bei der multivarianten Fehlerbehebung. 01 Kameras zur optischen Gasdetektion schützen Mitarbeiter, weil sie Sicherheitsrisiken aus der Distanz überprüfen können, bevor Schäden entstehen 02 Auf dem LCD-Touchscreen der Kamera lassen sich Bilder für eine bessere Darstellung anpassen Verbesserte Kommunikation Die OGI liefert auch Daten, die herkömmliche Gasdetektoren nicht bereitstellen können und verbessert so die Kommunikation zwischen Teammitgliedern mit einfach zugänglichen Fakten. Vor allem OGI-Videos sind für Mitarbeiter sehr wertvoll. Mit ihnen können Benutzer ganz einfach auf unsichere Praktiken in der Organisation hinweisen. Auf dem LCD-Touchscreen der GF77 lassen sich Bilder für eine bessere Darstellung anpassen, und dank des WLAN-Kommunikationsprotokolls können Kollegen sofort per Smartphone über Gefahren informiert werden, um die Reparatur zu beschleunigen. Diese Vorteile gelten nicht nur für vorund nachgelagerte Prozesse in Öl- und Gasanlagen. Da hochwertige Ausrüstung zu günstigeren Preisen erhältlich ist, können auch andere Branchen die OGI-Technologie nutzen, um Umweltschutz und Sicherheit zu verbessern. Neben Erdgasunternehmen können auch Kraftwerke, die Erdgas in Elektrizität umwandeln, ihre Mitarbeiter und Prozesse vor unerkannten Leckagen schützen. Versorgungsunternehmen erwerben OGI-Kameras nicht mehr nur zu Compliance-Zwecken, sondern auch für diese Anliegen. Ebenso können Unternehmen im Bereich erneuerbarer Energien die OGI einzusetzen, um Gase zu überwachen, die Sicherheit zu erhöhen und ihre Sicherheitskultur zu verbessern. Bilder: Flir www.flir.de VERFAHRENSTECHNIK 1-2/2020 39