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Verfahrenstechnik 9/2020

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Verfahrenstechnik 9/2020

BETRIEBSTECHNIK

BETRIEBSTECHNIK Zuverlässige Aussagen Schallemissionsprüfung an einer verfahrenstechnischen Anlage Die Schallemissionsprüfung ist ein zerstörungsfreies Prüfverfahren, das drohende Schäden an Druckgeräten frühzeitig und zuverlässig erkennt. Das senkt das Risiko für technische Störungen und Ausfälle durch Leckagen sowie Risse und schützt vor Integritätsverlust. Am Beispiel einer Trennkolonne wird gezeigt, wie die Prüfung mit Schallemissionen im laufenden Betrieb einfach und wirtschaftlich funktionieren kann. In einer verfahrenstechnischen Anlage müssen Druckbehälter, Rohrleitungen und andere drucktragende Bauteile gemäß Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) wiederkehrend geprüft werden. Der Fokus richtet sich dabei z. B. auf die Festigkeit respektive die Dichtheit sowie auf die innere Prüfung, wie die Innenbesichtigung auf mögliche Schadensmechanismen wie Rissbildungen und/oder Korrosionsangriffe. Autoren: Dipl.-Ing. Klaus Michael Fischer, Tüv Süd Chemie Service GmbH, Frankfurt am Main, Dipl.-Ing. Levent Sahin, Tüv Süd Industrie Service GmbH, München Je genauer der Einblick in das jeweilige Bauteil ist, umso besser lassen sich die Maßnahmen zur Instandhaltung planen – und Anlagenstillstände sowie Produktionsausfälle effektiv vermeiden. Davon profitiert auch, wer für diese Zwecke ein schnelles und zuverlässiges Verfahren der digitalen Prüftechnik anwendet: die Schall emissionsprüfung (SEP). Ein Beispiel aus der Praxis liefert der Betreiber einer C4-Trennkolonne, in der Kohlenwasserstoff-Gemische in verschiedene Bestandteile aufgesplittet werden. Prüfung der Kolonne Bei dem Raffineriebetreiber war geplant, den Großbehälter einer C4-Trennkolonne nicht mittels Innenbesichtigung sondern mit einer SEP zu prüfen. Deshalb musste die Anlage nicht außer Betrieb gesetzt und die Kolonne auch nicht gereinigt werden. Zusätzlich entfielen aufwändige Maßnahmen zum Arbeits- und Umweltschutz und die Kosten für den Produktionsausfall, der durch das Herunterfahren der Anlage entstanden wäre. Der Behälter wies folgende Merkmale auf: n Werkstoff: Feinkornbaustahl (P355 NH) n Höhe: 74,3 m n Durchmesser: 4,44 m n Volumen: 1 160 m 3 n Wandstärke: 22 bis 26 mm n Betriebsdauer: 14 Jahre Der Raffineriebetreiber ließ den Großbehälter einrüsten. Dort, wo die piezoelektrischen Sensoren für die SEP angebracht werden sollten, wurden jeweils 20 cm 2 der Behälterisolierung entfernt. Insgesamt kamen 88 Sensoren der SEP zum Einsatz. Diese wurden anhand eines Lageplans über den gesamten Behälter verteilt und mit Magnethaltern und Koppelmittel auf der Außenoberfläche befestigt. Die in Bezug zur Größe des Behälters recht geringe Anzahl an Sensoren reichte aus, um die gesamte Struktur mit diversen Einbauten und Ventilböden als digitalen Zwilling abzubilden und somit zuverlässig zu prüfen. Schallwellen aufzeichnen Für die Durchführung einer SEP wird Prüfdruck benötigt. Diesen hat der Raffinerie­ Hilfreiche Normen und Standards Das allgemeine Vorgehen bei der Schallemissionsprüfung regelt die DIN EN 13554. Die harmonisierte DIN EN 14584 legt das Prüfverfahren an metallischen Druckgeräten bei einer Druck-Abnahmeprüfung mittels planarer Ortung fest. Gemäß DIN EN ISO 9712 ist die Prüfung mit qualifiziertem und zertifiziertem Personal sicherzustellen. Die DIN EN 13477-2 beschreibt die Anforderungen an die Gerätetechnik, die wiederum selbst regelmäßigen Kontrollen zu unterziehen ist. 50 VERFAHRENSTECHNIK 09/2020 www.verfahrenstechnik.de

BETRIEBSTECHNIK betreiber über die Leitwarte kontrolliert gesteuert und innerhalb der Trennkolone aufgebracht. Er muss als Ersatz für die Innenbesichtigung mindestens das 1,1- Fache des maximal im Betrieb auftretenden Drucks betragen. Rund zwölf Stunden nahm die Druckaufbringung mit Online-Überwachung in Anspruch. Dabei werden hochfrequente Schallwellen ausgewertet, die oberhalb des menschlichen Hörver mögens liegen. Sie entstehen, wenn im Werkstoff aktive Fehler wie Risse existieren, unter dem aufgebrachten Druck minimal wachsen und damit kurzzeitige, sehr kleine Verschiebungen erzeugen. Die Bewegungssprünge stoßen das Gefüge des Werkstoffs in der Umgebung an, die dann nachgibt und wieder zurück federt. Dadurch entsteht eine transiente elastische Schallwelle, diese gelangt von ihrer Quelle bis zum Piezokristall des Sensors, der sie in elektrische Signale wandelt. Die Signale werden mit einem Prüfrechner aufgezeichnet, grafisch im digitalen Zwilling dargestellt und abschließend von erfahrenen Prüfingenieuren interpretiert. So lassen sich Veränderungen im Gefüge des Werkstoffs detektieren, bevor es zu kritischen Zuständen kommen kann. Damit können oft viel genauere Aussagen getroffen werden als bei üblichen Sicht- oder Druckprüfungen. Das kann auch die Bewertung von unkritischen Inhomogenitäten oder Mikrorissen betreffen, die im Betrieb nicht weiterwachsen und daher belassen werden könnten. Aufgrund der Messdatenaufzeichnung der C4-Trennkolonne empfahlen die Ingenieure des Tüv Süd für auffällige Stellen eine gezielte Nachuntersuchung von Schweißnähten mittels Ultraschallprüfung (Phased-Array). Dies führt zur Klärung der Ungänze und zur Festlegung eines Reparaturbereichs. Beurteilung der Signale Die Schallsignale werden in drei Risikoklassen eingeordnet – je nach Anzahl, Aktivität, Intensität und Ort (Tabelle). Daraus abzuleitende Maßnahmen lassen sich so besser planen und priorisieren. Am besten legen 01 „klassische Prüfung“ SEP 02 Druck Signale und abzuleitende Maßnahmen Einordnung in Risikoklassen Klasse 1 Beurteilung unbedeutende Quelle Verfahrensschritte im Vergleich: innere Prüfung mit Innenbesichtigung und Schallemissionsprüfung Vorbereitung Vorbereitung Entleerung Betriebsstillstand Reinigung + visuelle (innere) Prüfung SEP (alternative Möglichkeit) Detektion und Lokalisation von Schallemissionsquellen 30 31 der Anlagenbetreiber und die Prüforganisation die quantitativen Bewertungskriterien vor der Prüfung fest und dokumentieren diese schriftlich in der Prüfanweisung. Von der enormen Zunahme an Rechenleistung in den vergangenen Jahren hat auch die SEP profitiert. Schnellere Prozessoren und benutzerfreundliche Software visualisieren mehrere Hundert Ortungen pro Sekunde – in Echtzeit. Das Tempo, mit Vorgehen und Maßnahmen Keine Maßnahmen erforderlich Klasse 2 aktive Quelle Visuelle Prüfung oder weitere Nachunter suchung und Bewertung Klasse 3 sehr aktive Quelle Prüfunterbrechung oder -abbruch, Druckablass, visuelle Prüfung, weitere Nachuntersuchung und Bewertung vor Wiederinbetriebnahme Wasserfüllung/Gas (Druck) + Festigkeitsprüfung 29 31 30 29 Wiederinbetrieb Übergabe Detektion am Sensor 30 Lokalisation dem die Geräte mögliche Inhomogenitäten oder Anomalien detektieren und analysieren, hat sich vertausendfacht. Wegen des hohen Reifegrads und der Echtzeitfähigkeit eignet sich die SEP – als Ergänzung der gesetzlichen Prüfungen – auch zur Überwachung von Anlagen im laufenden Betrieb. Das liefert wertvolle Informationen für die vorausschauende Planung von Wartungsintervallen. Zudem besteht die Möglichkeit, diese Informationen via Datennetz (Online-Monitoring) zu übertragen. Das ist auch als Cloud-Lösung realisierbar. Die zerstörungsfreien Prüfungen können auch mit einer separaten Ultraschallmessung, dem sogenannten Permanent-Monitoring-Verfahren, ergänzt bzw. erweitert werden, um beispielsweise die Wandstärken von Behältern dauerhaft zu überwachen. Fotos: Tüv Süd www.tuvsud.com/chemieservice www.verfahrenstechnik.de VERFAHRENSTECHNIK 09/2020 51