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Verfahrenstechnik 7-8/2018

Verfahrenstechnik 7-8/2018

MESSEN, REGELN,

MESSEN, REGELN, AUTOMATISIEREN Digitale Bioprozesse Türöffner für personalisierte Medizin Im Living Lab für die Digitalisierung von Bioprozessen werden neue Technologien und visionäre Ideen von Forschern realitätsnah getestet und weiterentwickelt. In Österreich ist ein neues Kompetenzzentrum für die Pharmabranche, die chemische Industrie und die Lebensmittelerzeugung entstanden. Der Wettbewerbsdruck in der Pharmabranche, der chemischen Industrie und der Lebensmittelerzeugung steigt stark an. Daher suchen auch diese Industriezweige nach effizienteren, günstigeren und qualitativ hochwertigeren Methoden, um ihre Produkte herzustellen. Gemeinsam ist diesen Branchen, dass sie ihre Produkte auf Basis von Bioprozessen erzeugen – der Grundstoff sind oft lebende Bakterien. Um diese Kunden dabei zu unterstützen, bessere Prozesse aufzusetzen, eröffnete Siemens in Wien ein „Living Lab für die Digitalisierung von Bioprozessen“. Im Autor: Werner Schöfberger, Leiter Prozessautomatisierung, Siemens AG, Wien, Österreich Living Lab werden Forschung und Anwendung in realer Umgebung kombiniert, individuelle Bioprozesse für Kundenbedürfnisse können modelliert, simuliert und optimiert werden. Die Basis dafür sind Daten und ihre intelligente Analyse: Vereinfacht gesagt wird der physische, rein biologische Gärungsprozess in einem digitalen Zwilling aus Daten exakt abgebildet. Dadurch wird er steuerbar, wiederholbar und dokumentierbar – was bspw. die Basis für die Zulassung von Medikamenten ist. Wolfgang Hesoun, CEO von Siemens Österreich: „Das Bioprozesslabor ist unsere Werkstätte, in der Forschung und Anwendung zusammentreffen, um für unsere Kunden konkrete Wettbewerbsvorteile zu schaffen. Das Ergebnis der Arbeit im Living Lab ist dabei aber kein Produkt: Wir brauen Algorithmen und Formeln.“ Digitalisierung sichert Wettbewerbsfähigkeit Die Entwicklung neuer Produkte in der prozesstechnischen Industrie ist sehr aufwändig und sowohl kosten- als auch zeitintensiv. Egal ob es sich um Medikamente, Lebensmittel oder chemische Produkte handelt: Gesetzliche Vorschriften müssen eingehalten und hohe Qualitätsanforderungen erfüllt werden. Diese Kriterien wurden bisher meist erst nach der Produktion in standardisierten Verfahren überprüft. Das hat im Fehlerfall die Folge, dass die gesamte betroffene Charge nicht freigegeben wird. Zudem war es oftmals schwierig, die Fehlerquelle zu eruieren – was wiederholte Verluste verursachen konnte. Die Lösung dieses Problems liegt in der Digitalisierung prozesstechnischer Anlagen über ihren gesamten Zyklus: Vom Engineering über den Betrieb bis zur laufenden Optimierung. Dazu ist es nötig, mittels intelligenter Mess- und Automatisierungstechnik den Prozess zu überwachen. Aus hunderten gewonnenen Daten werden mithilfe von Algorithmen und statistischen Modellen die richtigen Schlüsse gezogen. In weiterer Folge kann aktiv in den laufenden Prozess eingegriffen werden, um ihn zu optimieren. Maßgeschneiderte Medikamente könnten die Wirkung von Arzneimitteln vorhersehbarer machen und Nebenwirkungen minimieren. Der Trend zur personalisierten Medizin wird künftig die Fertigung kleiner Serien forcieren. Für die Produktionsprozesse bedeutet das, sie müssen erheblich flexibler werden. Der Schlüssel dafür liegt in der entsprechenden Digitalisierung und Automatisierung von Anlagen, die einen schnellen Wechsel von Rezepturen und Prozessfolgen ermöglicht. Besonders in der Pharmabranche gilt es, mittels Prozessanalysetechnik Qualitätsvorgaben und kritische Prozessparameter während der Produktion in Echtzeit zu überwachen. Treten Abweichung auf, kann der Prozess künftig mit den Innovationen aus dem Biolabor von Siemens nachjustiert 28 VERFAHRENSTECHNIK 7-8/2018

MESSEN, REGELN, AUTOMATISIEREN 01 Kritische Prozessparameter können durch Ergebnisse aus dem Biolabor nachjustiert werden, ohne den Betrieb unterbrechen zu müssen 02 Im Living Lab können Bioprozesse modelliert, simuliert und optimiert werden werden, ohne den Betrieb unterbrechen zu müssen. Der Vorteil ist, dass die Qualitätskontrolle nicht erst beim Endprodukt stattfindet, sondern bereits im Prozessverlauf geprüft wird. Fehler können frühzeitig vermieden werden, und Chargen schneller freigegeben werden. Forschungsschwerpunkte im Living Lab Vienna Das Living Lab Vienna ermöglicht die reale Demonstration von biotechnologischen Produktionsprozessen. Wesentliche Aktivitäten sind die praxisbezogene Umsetzung von Forschungsthemen in Form von Projekten bzw. Case Studies, an denen Kunden von Siemens ebenso wie Mitarbeiter, z. B. in Form von Schulungen, partizipieren können. Von den Ergebnissen soll eine möglichst breite Nutzerschicht profitieren. Gleichzeitig tritt aber die reale Prozesstechnik nicht in den Hintergrund: So können anhand der laufenden Prozesse das Siemens-Produktportfolio interessierten Kunden präsentiert und auch der Mehrwert live gezeigt werden. Drei Themenbereiche stehen im Living Lab im Zentrum: n Digitalisierung in der Prozessindustrie im Bereich Anlagen-Engineering. Wie plant man eine Anlage und wie nutzt man Produkte der Digitalisierungsindustrie, um den Engineering-Prozess von der Planung bis hin zur Inbetriebnahme digital zu unterstützen, z. B. mittels Digital Twin? n Wie kann man eine Anlage im laufenden Betrieb optimieren und die Digitalisierung für weitere Verbesserungen nutzen? Und wie kann der Workflow elektronisch geführt und gesteuert werden. n Wie können cloud-basierte Funktionen wie sie die Siemens-Plattform Mind- Sphere bietet, von der Prozessindustrie genutzt werden? Etwa die einfache Integration von Sensoren (IoT-Devices) und der Upload der Daten in die Cloud. So können die im Prozess generierten Daten in der Cloud gespeichert und mithilfe der dort zur Verfügung stehenden Werkzeuge auch zur Optimierung herangezogen werden. Siemens hat im Living Lab zahlreiche unterschiedliche Produkte im Einsatz. Im Mittelpunkt steht das Prozessleitsystem Simatic PCS 7 zur Automatisierung. Dieses steuert die Pumpen, regelt Temperatur und pH-Wert und sammelt Messdaten. Der Einsatz der Software-Lösung Comos zieht sich beginnend beim Engineering über die Simulation bis hin zum Themenbereich Maintenance & Repair. Simatic Sipat führt die gesammelten Daten zusammen, ist verantwortlich für die Prozessanalytik und Prozesse nachjustieren, ohne den Betrieb zu unterbrechen Rückkoppelung an das Prozessleitsystem. Die Software Simit spielt die Hauptrolle im Bereich Simulation, und schließlich steht für MES-Anwendungen Simatic IT eBR zur Verfügung. Diese Technologien überwachen Qualitätsvorgaben und kritische Parameter in Echtzeit. Tritt eine Abweichung ein, lässt sich der Prozess ohne Betriebsunterbrechung nachjustieren. Die Qualitätskontrolle findet daher nicht erst beim Endprodukt statt, sondern wird schon mehrfach im Prozessverlauf geprüft. Fehler können dadurch frühzeitig erkannt bzw. vermieden und die Chargen schneller freigegeben werden. Darüber hinaus zeigt Siemens mit seinem Energiemanagement-System Simatic Energy Manager Pro wie der Energieverbrauch in der prozesstechnischen Industrie transparent gemacht werden kann, um in weiterer Folge optimiert werden zu können. Mit den Siemens-Produkten des Industrial Communication Networks Scalance wird gezeigt, wie Kommunikationsnetzwerke im industriellen Umfeld stabil und sicher aufgebaut werden können. www.siemens.de VERFAHRENSTECHNIK 7-8/2018 29