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Verfahrenstechnik 6/2018

Verfahrenstechnik 6/2018

KOMPONENTEN UND SYSTEME

KOMPONENTEN UND SYSTEME I ACHEMA Trotz scheinbar richtiger Werkstoffwahl kann bei O-Ringen schon nach kurzer Betriebszeit eine unerwartete Leckage auftreten. Warum aber kommt es zum Ausfall des O-Rings, welche grundlegenden Schadensmechanismen können auftreten und wie kann man diese Ursachen systematisch analysieren? Die Schadensmechanismen [1] kann man wie folgt klassifizieren: n Medieneinwirkung n Temperatureinwirkung/Alterung n Mechanische/physikalische Einwirkung n Herstellungsfehler Es können aber auch mehrere dieser Mechanismen auftreten. Häufig ergeben sich erste Hinweise zur Schadensursache durch eine sorgfältige Recherche zur Historie der Armatur. Weichen bspw. die tatsächlichen Einsatzbedindensfällen ist eine unabdingbare Voraussetzung, um möglichst schnell und erfolgreich die Ursache für den Ausfall einer Dichtung zu ermitteln. Dabei kann der folgende Leitfaden helfen: n Bestandsaufnahme n gezielte Untersuchung nach dem Schadensmechanismus n Ermittlung der Schadensursache n Festlegen von Abhilfemaßnahmen n Dokumentation Bestandsaufnahme Zuverlässig abdichten Schadensanalyse von O-Ringen erfordert systematische Vorgehensweise Die meistverbaute Dichtung, der O-Ring, soll zuverlässig seine Dichtfunktion erfüllen. Hierfür steht dem Anwender eine Vielzahl unterschiedlicher Werkstoffe zur Verfügung, die auf die jeweiligen Anwendungsbedingungen abgestimmt sein müssen. Trotzdem kann es zum Ausfall des O-Rings kommen – eine Schadensanalyse ist hilfreich. gungen von den vorgegebenen Spezifikationen ab? Zur Ursachenfindung sind chemische und physikalische Untersuchungen am geschädigten Teil ggf. im Vergleich zu einem Referenzmaterial unerlässlich. An physikalischen Prüfungen und chemischen Analyse- Methoden können FT-IR-Spektroskopie, chromatografische Methoden, Mikroskopie und Elementaranalyse angewendet werden. Allerdings ist ein hoher analytischer Aufwand nicht immer gerechtfertigt, sodass man sich auf Unter suchungsmethoden beschränken muss. Ein zielgerichtetes und systematisches Vorgehen bei der Bearbeitung von Scha- Bei der Bestandsaufnahme gilt es zuerst, den Schaden anhand der beanstandeten O-Ringe zu beschreiben. Durch Analysen an Rückstellmustern können zusätzlich wichtige Informationen erzielt werden. Im nächsten Schritt sind sämtliche Informa tionen zum Schadensfall zu sammeln (Tabelle 01). Am Ende der Bestandsaufnahme ist eine Versagenshypothese zu erstellen, die sich auf einen Schadensmechanismus festlegt. Als nächstes werden Informationen gesammelt. Dazu gehören allgemeine Informationen wie Ausfallsituation (Schadensart und Ausmaß des Schadens; Feld; Freigabe; Prüffeld; Entwicklung), Produktgeschichte (seit wann existiert das Produkt; wird das Produkt bei mehreren Kunden eingesetzt; gab es bereits ähnliche Probleme in der Vergangenheit?) und Ausfallgeschichte (wie viele O-Ringe sind ausgefallen; seit wann fallen die O-Ringe aus; kann der Ausfallzeitraum einer bestimmten Liefercharge zugeordnet werden; wurde etwas geändert; fallen die O-Ringe nur bei einem Kunden aus; obwohl es mehrere Kunden gibt; fallen die O-Ringe nur in bestimmten Einsatzgebieten aus?) Schadensmechanismus Um die Versagenshypothese zu beweisen, sind gezielte Untersuchungen nach dem Schadensmechanismus durchzuführen. Hierzu ist ein Untersuchungsplan zu erstellen, der die Untersuchungsmethoden, die Reihenfolge der durchzuführenden Untersuchungsmethoden und die Probennahme festlegt. In Tabelle 02 sind die bei der Schadensanalyse an Elastomerbauteilen Autor: Michael Krüger, Leiter Operative Anwendungs technik, C. Otto Gehrckens GmbH & Co. KG, Pinneberg So sehen O-Ringe nach thermischer Zersetzung, Extrusion oder einem chemischen Angriff aus 40 VERFAHRENSTECHNIK 6/2018

ACHEMA I KOMPONENTEN UND SYSTEME häufigsten verwendeten Untersuchungsmethoden zusammengefasst. Welche Methode eingesetzt wird, hängt neben der Versagenshypothese auch von den verfügbaren Proben (Anzahl der O-Ringe) ab. Die Ziele der einzelnen Untersuchungen müssen definiert werden. Liegen dann die Ergebnisse der Untersuchung vor, sind diese am besten mit einem Fachmann, der idealerweise auch in die Zielsetzungen der Untersuchungen involviert ist, zu diskutieren. Oft liegen zwar eindeutige Analyseergebnisse vor, die jedoch keine eindeutigen Antworten auf die Fragestellung (Ziele) geben. Dann sind oft weitere Untersuchungen notwendig. Folgende Vorgehensweise bietet sich bei der gezielten Untersuchung nach Fehlern und Ausfalltyp an: n Versuchsplan erstellen (Methoden und Ablauf) n Probennahmen definieren n Untersuchungen definieren n Ergebnisse der einzelnen Untersuchungen auswerten Ermittlung der Schadensursache Zur Ermittlung der Schadensursache werden die Ergebnisse der einzelnen Untersuchungen bewertet und mit den Ergebnissen der Bestandsaufnahme verknüpft. Dies kann nur mit entsprechender Erfahrung und Fachwissen durchgeführt werden. Sind die Ergebnisse nicht eindeutig einer Schadensursache zu zuordnen, so kann ein Ausschluss von Ursachen hilfreich sein. Allerdings sollte die Festlegung der Schadensursache nicht alleine durch das Ausschlussprinzip begründet werden. Bereich Mikroskopische Untersuchungen Analytische Untersuchungen Physikalische Prüfungen Schadensanalyse mittels FEM Nachstellversuche Aspekte Bereich Allgemeine Informationen Beschädigtes Bauteil Werkstoff Einsatzbedingungen Tabelle 01: Informationen zum Schadensfall Liefert die Schadensanalyse mehrere Schadensursachen, sollte eine Bewertung hinsichtlich der primären Schadensursache und den begünstigenden Einflüssen durchgeführt werden. Ist die Ausfallursache ermittelt, müssen geeignete Maßnahmen zur Abhilfe eingeleitet werden. Diese können verschiedene Be reiche wie Konstruktion, Werkstoffauswahl, Fertigungsprozesse, Prüfverfahren und Prüfbedingungen betreffen. Enge Zusammenarbeit Ein Ausfall eines O-Rings in einer Anwendung kann vielfältige Ursachen haben. Um eine Schadensanalyse vornehmen zu n Lichtmikroskopie (LIM) n Rasterelektronenmikroskopie (REM) mit EDX-Analyse n Infrarotspektroskopie (IR) n Thermogravimetrie (TGA) n Gaschromatografie/Massenspektroskopie (GC/MS) an Extrakten n Thermodesorption mit GC/MS n Dynamische Differenzkalorimetrie (DSC) n Statisch mechanische Eigenschaften (Dichte, Härte, Zugversuch, DVR) n Dynamisch mechanische Eigenschaften (Ermüdungsprüfungen, Frequenzverhalten) n Beständigkeitseigenschaften (Relaxation, Medieneinlagerung, Ozonbeanspruchung, Chemolumineszenz) Tabelle 02: Untersuchungsmethoden für die Schadensanalyse an Elastomerbauteilen Aspekte n Schadensablauf n Produktgeschichte n Bezeichnung n Funktionsweise n Design, Geometrie n Herstellung n Freigabeprüfungen n Bezeichnung n Spezifikation n Rezeptur n Wärmebehandlung (Tempern) n mechanische Beanspruchung n thermische Beanspruchung n chemische Beanspruchung n physikalische Beanspruchung n elektrische Beanspruchung können, ist eine systematische Vorgehensweise erforderlich, die sämtliche Betriebsund Montagebedingungen hinterfragt. Eine erste, grobe Analyse kann in einigen Fällen bereits durch Begutachtung des ausgefallenen O-Rings vorgenommen werden. Allerdings bedarf es stets einer weiteren, intensiveren Untersuchung. Hierbei ist in erster Linie neben dem Fachwissen auch Erfahrung im Umgang mit ausgefallenen Dichtungen von Vorteil, um nicht nur die Ursache des Ausfalls zu ermitteln, sondern auch entsprechende Abhilfemaßnahmen einleiten zu können. Eine enge Zusammenarbeit mit der Anwendungstechnik eines Herstellers oder Fachhändlers sollte unbedingt genutzt werden, da diese Beratung dem Anwender viele Vorteile bietet, z. B. Werkstoffuntersuchungen, die der Anwender selbst i. d. R. nicht durchführen kann, da die Laboreinrichtung für diese Art von Untersuchungen fehlt. Aber auch der Hersteller erweitert mit den Erfahrungen des Anwenders seine Expertise. Halle 9.0, Stand B4 www.cog.de Quellenhinweis: [1] Dipl.-Ing. B. Richter, O-Ring Prüflabor Richter Schadensmechanismen Details zu den Schadensmechanismen erfahren Sie im zweiten Teil des Beitrags, den wir auf unserer Homepage unter dem folgenden Link veröffentlicht haben: https://www.verfahrenstechnik.de/cog2 VERFAHRENSTECHNIK 6/2018 41