Aufrufe
vor 3 Jahren

Verfahrenstechnik 5/2020

  • Text
  • Komponenten
  • Mitarbeiter
  • Edelstahl
  • Hohen
  • Anlagen
  • Pumpen
  • Unternehmen
  • Betrieb
  • Verfahrenstechnik
  • Einsatz
Verfahrenstechnik 5/2020

Mikrobiologisch

Mikrobiologisch einwandfrei Mineralmetallfolien vermeiden Biozideinsatz in großen Kühlkreisläufen Um in großen technischen Kühlkreisläufen das Auftreten von Legionella zu verhindern, wurden im Pumpenvorlaufbehälter eines Kraftwerks spezielle wasserunlösliche Mineralmetallfolien in Form strukturierter Packungen installiert. Diese Folien sind in der Lage, die überschüssige Pumpenenergie nutzbringend umzuwandeln und so scaling- und foulingfördernde Strukturveränderungen zu vermeiden. In großen technischen Kühlkreisläufen, wie z. B. in Kraftwerken und Chemieanlagen, zeigte sich zunächst ziemlich überraschend, dass Scaling und Fouling in Verbindung mit dem Auftreten hygienisch höchst unerwünschter Bakterien (Legionella) dann einsetzen kann, wenn die auf das Wasser einwirkende spezifische Pumpenenergie (P E ) größer ist als der osmotische Druck des Wassers (π) – zuzüglich des geodätischen Druckes (p), der auf das Wasser einwirkt [1]. Die spezifische Pumpenenergie ergibt sich aus der elektrischen Leistungsaufnahme der Pumpe (P el ) dividiert durch den damit geförderten Wasservolumenstrom (Q). Es gilt: P el /Q = P E [Wh/m³] Osmotischer Druck und geodätischer Druck lassen sich bequem in Energie pro m³ umrechnen, indem man N/m² in Nm/m³ umformt, woraus sich dann Wh/m³ errechnen lassen (1 Nm = 1 J = 1 Ws = 0,000278 Wh). Daraus ergibt sich dann die Energie W E , die man sich als Stabilisierungsenergie der Wasserstrukturen vorstellen darf. Physikalische Zusammenhänge Die exakte Bestimmung des osmotischen Druckes erfordert eine Vollanalyse aller im Wasser vorhandenen Ionen – das ist sehr zeitaufwändig. Wesentlich einfacher gestaltet sich die Bestimmung des osmotischen Druckes aus der elektrischen Leitfähig- Autoren: Axel Becker, KNG Kraftwerks- und Netzgesellschaft mbH, Kraftwerk Rostock, Dr. Jürgen Koppe, MOL Katalysatortechnik GmbH, Merseburg, Rüdiger Krampitz, Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Greifswald, Gaby Schwanke, Uniper Kraftwerke GmbH, Kraftwerk Schkopau, Manuela Simon, Vattenfall Heizkraftwerk Moorburg GmbH, Heiko Woizick, RheinEnergie AG, Köln keit (λ). Da Meersalz zu 95 % aus NaCl besteht [2], kann man mit der Annahme arbeiten, dass die Leitfähigkeit ausschließlich auf der Anwesenheit von NaCl beruht. Damit entspricht eine elektrische Leitfähigkeit von 1 µS/cm einem osmotischen Druck von ca. 40 N/m². Der geodätische Druck ergibt sich aus dem maximalen Höhenunterschied im Kühlwasserkreislauf. In den meisten Fällen liegt dieser zwischen 10 und 20 m, was dann einem geodätischen Druck von 100 bis 200 kN/m² entspricht. Am Beispiel des Steinkohlekraftwerkes KNG Rostock mit einer Leistung von 550 MW werden diese Zusammenhänge näher erläutert. Das Zusatzwasser strömt mit einem Volumenstrom von ca. 1 000 m³/h direkt aus der Ostsee durch einen Rechen in einen Pumpenvorlagebehälter mit ca. 500 m³ Wasserinhalt. Aus diesem Pumpenvorlagebehälter wird das Wasser mittels Pumpen mit einer elektrischen Leistung von 500 kW über eine 8 km lange Zulaufleitung (Durchmesser ca. 1,5 m) in den Kühlkreislauf des Kraftwerkes gepumpt. Der spezifische Energieeintrag P E berechnet sich zu 500 Wh/m³. Die Leitfähigkeit der Ostsee schwankt vor Warnemünde zwischen 15 000 und 30 000 µS/cm [3]. Damit beträgt die durch den osmotischen Druck bewirkte Energie maximal 330 Wh/m³. Auch wenn man einen geodätischen Druck von 10 m WS – entsprechend einer Energie in Höhe von 27,5 Wh/m³ – zum osmotischen Druck dazu rechnet, stellt man leicht fest, dass P E > W E ist. 12 VERFAHRENSTECHNIK 05/2020 www.verfahrenstechnik.de

VERFAHREN UND ANLAGEN Gestörte Wasserstrukturen Die Wasserstrukturen werden nachhaltig gestört, was in der Folge Scaling und Fouling in der 8 km langen Zulaufleitung bewirkte. Auch im Kühlwasser des Kühlkreislaufes kam es aufgrund des „geschädigten“ Zusatzwassers zu einem deutlichen mikrobiologischen Wachstum und zur Bildung von Scaling und Fouling. Als Gegenmaßnahmen wurde das Kühlwasser des Kühlkreislaufes mit Natriumhypochlorit und einem biofilmlösenden Biozid behandelt, und die Zulaufleitung wurde mittels Natriumhypochlorit und Molchen in einem funktionsfähigen Zustand gehalten. Die Kühlwasserbehandlung im Kühlkreislauf wurde zwischenzeitlich – ab 2004 – durch eine katalytisch unterstützte Wasserstoffperoxid-Behandlung (Mol-Clean-Verfahren) ersetzt [3]. Betrachtet man nun die Verhältnisse im Kühlkreislauf in Bezug auf den Energieeintrag in das Kühlwasser durch die Kühlwasserpumpen, dann ergibt sich hier folgendes Bild: Mit einer Pumpenleistung von 2 440 kW werden ca. 50 000 m³/h Kühlwasser umgewälzt, was einem spezifischen Energieeintrag P E von 48,8 Wh/m³ entspricht. Bei einer Eindickungszahl von 3 beträgt die Leitfähigkeit des Kühlwassers das Dreifache der Leitfähigkeit des Zusatzwassers, d. h. maximal 90 000 µS/cm. Das entspricht einer spezifischen Energie von 900 Wh/m³. Rechnet man noch eine geodätische Höhe von 20 m (entsprechend 55 Wh/m³) hinzu, dann ist die spezifische Energie im Wasser W E mit annähernd 1 000 Wh/m³ um ein Vielfaches höher als die über die Pumpen einwirkende Energie. Vom Grundsatz her sollten hier keine mikrobiologischen Probleme zu erwarten sein. Der dennoch notwendige Biozideinsatz im Kühlkreislauf war somit offenbar dem Eintrag durch das zuvor „geschädigte“ Zusatzwasser geschuldet. 01 Installation einer Mol-Lik-Einheit mit Mineralmetallfolie in die Kühlturmzusatzwasser- Aufbereitung eines Braunkohlekraftwerkes Lösung mit Folien Brennstoff Kühlwasser Installationsstelle der Mineralmetallfolien Braunkohle Steinkohle Gas Gas Flusswasser mit KZA Flusswasser mit KZA Flusswasser mit KZA Flusswasser mit KZA nach KZA (Einbau 2017) und im Kühlkreislauf (Nachrüstung 2018) nach KZA (Einbau 2018) im Kühlkreislauf (Einbau 2017) im Kühlkreislauf (Einbau 2018) Fusions-Versuchsanlage Osmosewasser im geschlossenen Kühlsystem im Bypass (Einbau 2018) Beispielhafte Einsatzfälle der Mineralmetallfolien (KZA = Kühlturmzusatzwasser-Aufbereitung) 02 Kleinere Mol-Lik-Einheit im Kühlkreislauf eines Braunkohlekraftwerkes Im März 2015 wurden spezielle wasserunlösliche Mineralmetallfolien in Form strukturierter Packungen (Mol-Lik-Einheit) in den Pumpenvorlaufbehälter installiert. Die Folien sind 20 µm stark (25 % einer Rasierklinge) und bestehen im Kern aus einer Nickel-Chrom-Eisen-Legierung mit einer Deckschicht aus einem Nickel- Chrom-Eisen-Spinell [4]. Diese Folien sind in der Lage, die überschüssige Pumpenenergie (in diesem Falle in der Zulaufleitung) nutzbringend umzuwandeln. Das Ergebnis ist die Vermeidung Scalingund Fouling-fördernder Strukturveränderungen (Bildung größerer Wasserdampfbläschen mit Durchmessern um 100 µm bis hin zur Kavitation). Unter Bildung winzig kleiner Wasserdampfbläschen (Durchmesser unter 1 µm) bleibt das Gleichgewicht der Wasserstrukturen im Wesentlichen erhalten. Die Folge war, dass sich nicht nur keine neuen Ablagerungen in der Zulaufleitung bildeten, sondern auch die bereits bestehenden Ablagerungen schrittweise entfernt wurden. Während der Wasserabnahme aus dem Pumpenvorlagebehälter wird nunmehr vollständig auf den Biozideinsatz im großen Kühlkreislauf verzichtet – bei mikrobiologisch jederzeit einwandfreier Beschaffenheit. Weiterhin ist es möglich, das sehr klare Kühlwasser nach dem Abschlämmen aus dem Kühlkreislauf zusätzlich als Wärmeträger zum Aufwärmen von Ammoniak im nahegelegenen Düngemittelwerk zu nutzen. Weitere Beispiele sind in der Tabelle aufgelistet. In der Fusionsversuchsanlage kam als besonderer Nutzeffekt hinzu, dass Goethithaltige Reste an Schweißnähten in einem deutlichen Umfang selektiv entfernt wurden, ohne dass die darunterliegende Passivschicht angegriffen wurde [5]. Die technische Lebensdauer der Mineralmetallfolien liegt bei ordnungsgemäßem Einsatz selbst im Ostseewasser im Bereich oberhalb von fünf Jahren. Es ist erforderlich, dass die Folien regelmäßig fachgerecht gesäubert werden, was je nach Wasserqualität monatlich bis halbjährlich erfolgen sollte. Fotos: Uniper Kraftwerke, Jezper/adobe.stock.com Literaturhinweise: [1] Ch. Koppe, J. Koppe, Dr. J. Koppe, T. Lütje: DE-PA 10 2018 128 516.7, „Verfahren zur Verminderung von Ablagerungen in wasserführenden Systemen“ [2] S. Kopp Media (Hrsg.): Salz-Kontor, https://www. salz-kontor.de/meersalz.php, 03.09.2019 [3] A. Becker, W-I. Hocharth, T. Schönfelder, J. Körner, J. Koppe, H. Lausch: VGB PowerTech, 6/2007, S. 85 [4] L. Van Dijk, M. Hubrich, J. Koppe, M. Kozariszczuk, L. Luning, A. Naves, C. Niewersch, B. Padilla Vivas, C. Patrut, N. Rastetter, K. Remmen, S. Vila, U. Wahlström: „Innovative Solutions in the Process Industry for next generation Resource Efficient Water Management“, Collaborative project, Innovation roadmap for demonstrated technologies; Inspirewater – D2.4 GA723702, 07/2019 [5] Dr. J. Koppe, R. Krampitz, T. Lütje: DE-PA 10 2019 116 616.0, „Verfahren zur Wasserbläschen-Beize von Edelstahl-Schweißnähten“ www.molkat.de www.verfahrenstechnik.de VERFAHRENSTECHNIK 05/2020 13