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Verfahrenstechnik 4/2019

Verfahrenstechnik 4/2019

POWTECH I TITEL

POWTECH I TITEL Wirksamer Schutz Pneumatische Förderung von explosionsfähigen Schüttgütern mit Gebläsen und Verdichtern Der pneumatische Transport von Getreidemehl, Zellulose oder chemischen Grundstoffen in Pulverform bringt das Risiko einer Staubexplosion mit sich. Für die Firma Aerzen als Spezialist in der Gebläse- und Verdichtertechnik für die Förderung von Staub und Gas gehört der Ex-Schutz innerhalb der unterschiedlichen Atex-Zonen zur täglichen Praxis. Brennbarer Staub, räumliche Verteilung, Sauerstoffanteil, Zündquelle und der geschlossene Behälter sind die Bausteine einer Staubexplosion und bilden das sogenannte Explosions-Fünfeck. Die wechselseitigen Beziehungen der fünf Bereiche lassen sich dazu nutzen, Explosionen wirksam zu verhindern – dieses vor allem angesichts der Tatsache, dass die Verarbeitung feiner brennbarer Stäube immer das Risiko einer Staubexplosion mit sich bringt. Staub-Luft-Gemische sind dann explosionsfähig, wenn der Staub aus brennbarem Material besteht. Hierzu zählen neben Autor: Thorsten Sienk, freier Fachredakteur, Bodenwerder Holz, Mehl und Zellulose auch Kakao, Kaffee, Stärke sowie anorganische Stoffe wie die Elemente Magnesium, Aluminium und Eisen. Und genau diese Grundstoffe sind auch typisch, wenn in Unternehmen pneumatische Förderanlagen im Einsatz sind, bei denen Gebläse oder Verdichter die kontinuierliche Versorgung der Produktion aus dem Silo heraus sicherstellen. Hohes Explosionsrisiko Im Vergleich zu den klassischen Förderbändern für Schüttgüter nutzt die pneumatische Förderung ein Rohrsystem für den Materialfluss. Hier handelt es sich im Sinne des Explosions-Fünfecks um einen geschlossenen Behälter, ohne den eine Explo- 01 Gebläse-Aggregate mit Atex-Zulassung sind für die pneumatische Förderung von Stäuben aus brennbarem Material geeignet sion nicht möglich ist – und ohne den aber auch so ein pneumatisch angetriebener Materialstrom nicht funktionieren würde. Die von den Gebläsen bzw. Verdichtern erzeugte Prozessluft fördert feine Stäube und Pulver mit einem im Vorfeld präzise ausgelegten Druck und Volumenstrom durch das Rohrsystem zum Ziel. Dann findet im Inneren der Leitung eine Durchmischung der Förderluft mit dem Produkt statt. Die feine Verteilung fördert das Risiko einer Staubexplosion, weil sich der brennbare Stoff durch seine große Oberfläche 28 VERFAHRENSTECHNIK 4/2019

TITEL I POWTECH und die maximale Verfügbarkeit von Sauerstoff sehr gut entzünden kann. Verbrennt ein Stoff, steckt dahinter eine Oxidation. Die erfolgt bei einem Feuer recht langsam, bei einer Explosion hingegen schockartig. Beide haben gemeinsam, dass Sauerstoff notwendig ist, um sowohl ein Feuer, als auch eine Explosion zu erzeugen. Sprengstoffe tragen deshalb immer ihr eigenes Oxidationsmittel. Ob Holz oder Sprengstoff: Beide benötigen eine von außen zugeführte Aktivierungsenergie, um brennen oder explodieren zu können. Was dem Holz sein Streichholz und dem Sprengstoff seine brennende Lunte, sind in der pneumatischen Förderung mechanische Reibung, elektrostatische Aufladungen oder auch heiße Funken. Sie reichen als Aktivierungsenergie häufig aus, um ein Staub-Luft-Gemisch zur Explosion zu bringen. Zündfähige Quelle ausschließen Bei der Druckförderung von Staub oder auch brennbaren Gasen lässt sich mit der Konzeption der passenden Gebläse- oder Verdichtertechnik im Grunde genommen nur an der Zündquelle des Explosions- Fünfecks ansetzen. Hierbei muss ausgeschlossen werden, dass eine zündfähige Energiequelle in das Fördermedium eingebracht wird. Dieser Fall kann z. B. eintreten, wenn aufgrund eines Defektes oder auch mangelnder Wartung Funken in der Gebläse- oder Verdichter-Stufe entstehen und diese unkontrolliert und im heißen Zustand in die Druckleitung gelangen. Bei den Aggregaten mit Atex-Zulassung (2014/34/EU) hat Aerzen auf überaus effektive und elegante Weise im Schalldämpfer auf der Druckseite eine Funkensperre integriert. Der Clou dieser Lösung besteht darin, dass die Funkensperre gleichzeitig als wirksamer Schalldämpfer funktioniert. Im Vergleich zu Schalldämpfern mit Dämmmaterial eliminiert bei den Reflexionsschalldämpfern ein geschlitztes Rohrsystem den Lärm durch ein zeitversetztes Überlagern von Schallkurven. Dieses Wirkprinzip arbeitet einerseits verschleißfrei mit Blick auf das sonst erodierende, sich lösende Filtergewebe und sorgt andererseits dafür, dass sich Funken oder heiße Metallspäne durch die lange Wegstrecke im Filter totlaufen und abkühlen. Ursache für Funken Bei allem Anspruch an hohe Fertigungsqualität, Langlebigkeit und Betriebssicherheit lassen sich potenzielle Risiken in Ex-Schutz-Bereichen auch bei einem Gebläse nicht ausschließen. Kommt es zu einem Eintrag von Funken in die Druckleitung, resultieren diese in der Regel aus einem Defekt in der Verdichterstufe. Ein zu hohes Lagerspiel kann etwa der Grund dafür sein, dass die Drehkolben im Inneren nicht mehr mit dem definierten Luftspalt drehen, sondern zusammenschlagen und dabei Funken erzeugen. In Einsatzgebieten, die unter die Atex-Regelungen fallen, stellt die Funkensperre innerhalb der Druckschalldämpfer dann eine wirksame Maßnahme dar, den Eintrag von Aktivierungsenergie in den Wir haben ständig damit zu tun, brennbare Prozessgase sicher zu fördern – der wirksame Ex-Schutz gehört bei uns zur täglichen Praxis. Fabian Pasimeni, Produktmanager für Gebläse und Delta Hybrid, Aerzener Maschinenfabrik GmbH Materialförderstrom sicher zu unterbinden. Der Schalldämpfer zählt damit zu den reaktiven Atex-Maßnahmen, weil er zum Einsatz kommt, wenn ein Schaden bereits vorhanden ist. Gerade in Atex-relevanten Einsatzgebieten setzt Aerzen auch Frühwarnsysteme ein, um gravierende und sicherheitsrelevante Schäden von vornherein zu verhindern. Hierbei sind es die Wirkmechanismen des 02 Um die Schwingungen einer Verdichterstufe zu überwachen, sind Messnippel in der Nähe der Lagerstellen eingebaut VERFAHRENSTECHNIK 4/2019 29