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Verfahrenstechnik 4/2017

Verfahrenstechnik 4/2017

VERFAHREN UND ANLAGEN

VERFAHREN UND ANLAGEN Süße Herausforderung Maßgeschneiderte Bioprozessanlage für die Stärkezuckerproduktion in Russland Ingenieurleistungen nach Maß Modern, flexibel, effizient – in Russland entsteht ein Weizenverarbeitungskomplex für die Produktion von Stärkezucker. In Summe wird diese Anlage jährlich mehr als 130 000 t an Fruktosesirup, Sorbit und Glukosemonohydrat produzieren. Autor: Dipl.-Ing. Markus Lehr, Technologe und Prokurist, Vogelbusch Biocommodities GmbH, Wien, Österreich In einem Industriepark bei Kaluga, südwestlich von Moskau, errichtet das russische Unternehmen Biotech Roswa einen hochmodernen biotechnologischen Produktionskomplex. Demnächst schon sollen hier 250 000 t/Jahr Weizen in Spezialprodukte verarbeitet werden. Das Investitionsvorhaben entspricht der nationalen Strategie zur Nutzung landeseigener nachwachsender Rohstoffe für die industrielle Weiterentwicklung, die die lokale Getreideverarbeitungs- und Biotechnologieindustrie gezielt fördert. Die staatliche Unterstützung für die Errichtung von Produktionskomplexen ist ein attraktives Angebot, das sowohl russische Unternehmer als auch Joint Ventures mit teils ausländischen Partnern nutzen. Die Anlagen mit Verarbeitungskapazitäten zwischen 100 000 und 250 000 t Getreide pro Jahr werden in den getreideerzeugenden Regionen Russlands errichtet. In der Regel werden diese biotechnologischen Verarbeitungskomplexe ganz kundenspezifisch angepasst und für optimale Wirtschaftlichkeit mit einer flexiblen Produktpalette ausgelegt – Kompetenzen, die die Vogelbusch Biocommodities GmbH seit Jahren unter Beweis stellen konnte. Im Einklang damit wurde das Unternehmen Ende 2013 mit Planung und Lieferung für die Anlage von Biotech Roswa beauftragt. In Summe wird diese Anlage jährlich mehr als 130 000 t an Hochfruktosesirup, Sorbit und Glukosemonohydrat produzieren. Darüber hinaus werden Gluten, Stärke und Futtermittel erzeugt. Alle Produkte sind vorrangig für den russischen Getränke-, Lebensmittelund Kosmetikmarkt bestimmt. Getreideverarbeitungsanlage Gemeinsam mit dem Kunden und einem russischen Ingenieurbüro begann Vogelbusch Biocommodities bereits vor sechs Jahren mit ersten Konzeptstudien zum Projekt. Später lieferte das Unternehmen dann auch die technische Grundlage für die Genehmigungsplanung. Das Vorhaben wurde auf folgenden Planungsgrundsätzen aufgebaut: n flexible Prozesskonfiguration, um sowohl mengen- als auch produktspezifisch auf die Nachfrage des Marktes reagieren zu können n geringer Primärenergiebedarf durch Nutzung von Sekundärenergie über die einzelnen Produktionslinien hinaus n hoher Automatisierungsgrad für stabilen Betrieb und gleichbleibend hohe Produktqualität bei geringem Personalaufwand n Einsatz von hochwertiger Ausrüstung aus (West-)Europa Eine Besonderheit des Projektes ergab sich durch den Wunsch des Kunden, anstelle einer EPC-Lösung die Planung und Lieferung der einzelnen Technologiepakete für die Weizenverarbeitung (Trockenvermahlung, Stärkeanlage, Stärkezuckeranlage, Trocknung) direkt durch etablierte europäische Anbieter durchführen zu lassen. Mit der Errichtung der Nebenanlagen, den Bauleistungen und der Montage wurden lokale Unternehmen beauftragt. Die planerische Integration der einzelnen Technologiepakete in einen Gesamtkomplex wurde ab der jeweiligen Prozessanlagengrenze von Vogelbusch Biocommodities übernommen. Für die bestmögliche technische Einbindung aller Systeme erstellte Vogelbusch Biocommodities eine Gesamtmassenbilanz, spezifizierte die einzelnen Anlagenteile und optimierte den Energiebedarf durch eine anlagenübergreifende Nutzung von Sekundärenergieströmen. Die Verantwortung von Vogelbusch Biocommodities umfasste zusätzlich die Verwaltung der Weizen wird in einer Mühle trocken vermahlen und anschließend in Mehl und Kleie separiert. Das Mehl wird dann mittels eines Nassverfahrens in der Stärkeanlage in die Fraktionen Stärke, Gluten und Futtermittel aufgetrennt. Gluten wird in einem Trockner getrocknet. Die Futtermittelfraktion wird gemeinsam mit der Kleie aus der Vermahlung getrocknet und zu Pellets gepresst. Ein Teil der Stärkefraktion wird zu nativer Stärke getrocknet, während die Hauptmenge als Rohstoff für die Stärkezuckeranlage dient. 12 VERFAHRENSTECHNIK 4/2017

25 km Rohrleitungen mussten in der neuen Anlage verlegt werden Schnittstellen der Prozessanlagen zu den Hilfsstoffeinheiten, die Mitarbeit bei der Vertragsgestaltung für die jeweiligen Teilanlagen und die Harmonisierung von Ausführungsstandards. Stärkezuckeranlage im Fokus Zusätzlich zu seiner Rolle als Integrationsplaner des Weizenverarbeitungskomplexes agierte Vogelbusch Biocommodities für den Produktionsbereich Stärkezucker als Technologiegeber und Lieferant. Der von Vogelbusch Biocommodities für Kaluga entworfene Prozess umfasst insgesamt drei Produktionslinien, die ganz individuell an die Bedürfnisse des Kunden und russische Gegebenheiten angepasst wurden. Der Prozess beginnt dabei mit der enzymatischen Umwandlung von Stärke in Glukose. Diese wird dann nach mehreren Reinigungsschritten als Ausgangsstoff für alle drei Produkte bereitgestellt. Der Großteil der Glukoselösung wird in der ersten Produktionslinie enzymatisch in ein Fruktose/Glukosegemisch umgewandelt. Mittels eines kontinuierlichen Chromatografieverfahrens wird die Fruktose dann in der Lösung angereichert, bis ein Hochfruktosesirup mit exakt gleicher Süßkraft wie üblicher Zucker (Saccharose) entsteht. In einer zweiten Linie wird Glukoselösung in einem kontinuierlichen Kühlkristaller zu Glukosemonohydrat kristallisiert, das nach der Trocknung in 25-kg-Säcke abgepackt wird. In der dritten Linie wird die Glukoselösung durch katalytische Reaktion mit Wasserstoff in Sorbit umgewandelt. In allen Anlagenteilen stellt eine Vielzahl von Reinigungsschritten sicher, dass russische und internationale Qualitätsstandards eingehalten und die Produkte mit höchster Effizienz hergestellt werden. So kommen allein in den Produktionslinien für Stärkezucker und Sorbit unter anderem zwei Filtrationsanlagen, je vier Ionenaustauscher und Aktivkohlebehandlungen, fünf Eindampfanlagen und ein chromatografisches Trennverfahren zum Einsatz. Großeinsatz beim Bau Für den gesamten Produktionsabschnitt Stärkezucker wurde von Vogelbusch Biocommodities die Grund- und Detailplanung erstellt. Die komplette Lieferung der Ausrüstungen, des Materials für die knapp 2500 Rohrleitungen und der Automatisierung wurde einschließlich der Importabwicklung ausgeführt – insgesamt 226 LKW- Ladungen. Der Aufbau des Standorts begann 2014 mit der Errichtung eines Weizenlagers, das bereits im vergangenen Jahr den Betrieb aufgenommen hat. Inzwischen sind im rund 160 m langen Produktionsgebäude die Ausrüstungsteile der diversen Prozessanlagen weitgehend aufgestellt. Die Installation der Rohrleitungen und die Montage von Elektrik und Automation sind derzeit (erstes Quartal 2017) in vollem Gang und die Inbetriebsetzung der Weizenverarbeitungsanlage wird für die zweite Jahreshälfte 2017 angestrebt. Neben dem hier beschriebenen Projekt ist Vogelbusch Biocommodities bei der Realisierung von weiteren Getreideverarbeitungsprojekten in Russland beteiligt. So vertraut die Agroholding Yubileinii in der Tyumen Region in Sibirien und Don-Biotech, ein Joint Venture der deutschen Evonik und der russischen Varshavsky Gruppe, für die Produktion von Aminosäuren in der südrussischen Region Rostov auf die lange Erfahrung des Unternehmens. Fotos: NPK Ekologia, Vogelbusch www.vogelbusch-biocommodities.com