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Verfahrenstechnik 3/2021

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Verfahrenstechnik 3/2021

BETRIEBSTECHNIK

BETRIEBSTECHNIK Konzertierte Reinigung Entfernung von Ablagerungen eines überdimensionalen „Tauchsieders“ Gerade bei komplexen Anlagensystemen bietet die chemische Industriereinigung einen entscheidenden Vorteil: Anlagenteile müssen nicht zwingend ausgebaut werden. Ohne aufwändige Demontage- bzw. Montagearbeiten sind die Anlagen wieder schnell verfügbar, Stillstandzeiten werden auf ein Minimum reduziert. Autorin: Sabine Günther, Public Relations, Lobbe Industrieservice GmbH & Co KG, Iserlohn Leuna. Hell erleuchtet ragt die ausgebaute Kesselschlange des Abhitze-Wärmeübertragers der modernen Methanolanlage der Total Raffinerie Leuna fünf Meter hoch in den Nachthimmel. Ihre gewundenen Rohrschlangen erinnern an einen überdimensionalen Tauchsieder. Total stellt aus Rohöl eine Vielzahl von Kraftstoffen her. Die Raffinerie TRM (Total Raffinerie Mitteldeutschland GmbH) zählt zu den modernsten weltweit. Erzeugt wird in Leuna aber auch Methanol, das unter anderem als Lösungsmittel für Harze und Farbstoffe verwendet wird und ein unverzichtbarer Grundstoff für die chemische Industrie ist. Als Vorstufe zur Methanolsynthese wird bei Temperaturen von ca. 1 300 °C Rohgas aus Vakuum-Visbreaker-Rückstand (VVR) gewonnen. Über Wärmeübertrager erfolgt die notwendige Abkühlung des Rohgases. Die dabei abgeleitete Wärme erzeugt Dampf, der innerbetrieblich genutzt wird. Durch Ablagerung der im Rohgas enthaltenen Partikel und Metalle in der Kesselschlange sinkt die Effizienz der Anlage kontinuierlich. In der Folge wird das Rohgas nicht mehr im erforderlichen Maße abgekühlt. Entsprechend fehlt die Hitze für die Dampferzeugung, die Produktivität der Anlage sinkt. Effizienz wiederherstellen Die Parameter, wann der Wirkungsgrad unter die Wirtschaftlichkeitsgrenzen fällt, sind von Total eindeutig definiert. So war im Februar 2020 eine Intervention fällig: Die Kesselschlange eines der Abhitze-Wärmeübertrager musste chemisch gereinigt werden. Die angewendeten Verfahren bei der chemischen Industriereinigung sind hochspezifisch. Bei Total war die Konfiguration werksseitig bis ins letzte Detail vorgeschrieben: externe Pumpstation mit geschlossenem Mischbehälter und Hochleistungs- Gaswäscher. Dieser wäscht den Schwefelwasserstoff aus der Atmosphäre, der beim Lösen der Rückstände aus Kohlenstoff- und Schwefelverbindungen entsteht. Der Mischbehälter war überdies als Abscheider ausgelegt. So konnten die gelösten Feststof- 34 VERFAHRENSTECHNIK 03/2021 www.verfahrenstechnik.de

BETRIEBSTECHNIK 01 02 01 Kesselschlange des Abhitze-Wärmeübertragers 02 Der Erfolg der chemischen Industriereinigung wird im mobilen Labor kontrolliert fe aus dem Reinigungskreislauf entfernt werden. Das gesamte Equipment musste aus Sicherheitsgründen in einer mobilen Auffangwanne stehen. Lobbe bietet diese Dienstleistung seit vielen Jahren an. Halbstündlich mussten alle Parameter des Reinigungsprozesses im mobilen Labor vor Ort kontrolliert werden. Während der dreitägigen Aktion waren die Lobbe- Mitarbeiter rund um die Uhr im Schichtbetrieb im Einsatz. Als alle Analysenwerte im vorgegebenen Bereich lagen, war das Ziel erreicht. Jetzt konnte die Anlage wieder in Betrieb genommen und effizient gefahren werden. Auch im Sinne der Umwelt übrigens: Denn was Total, aber auch andere Raffinerien im Rahmen ihrer Produktionsprozesse an Stoffen noch verwerten, ist nichts anderes als Ressourcenschutz. Gut fürs Klima, gut für die Umwelt insgesamt. Chemische Industriereinigung Zu der mobilen chemischen Reinigungsanlage zählen einige Grundkomponenten, die optional um andere Elemente erweitert werden können. Der Behälter für die Reinigungslösung, die Pumpe und die Verteilerbalken für die Schläuche befinden sich stets in einer speziell beschichteten Mulde. Vom Verteilerbalken aus kann über mehrere Schläuche die Reinigungslösung in den jeweiligen Behälter, den Apparat, den Wärmetauscher oder das Rohr eingeleitet und nach Durchlauf wieder per Schlauch zur Reinigungslösung zurückgeführt werden. In zeitlich engen Abständen werden im mobilen Labor von Lobbe die für die jeweilige Reinigung erforderlichen Parameter (Säurekonzentrationen, Metallkonzentrationen, pH-Werte, Brechungsindizes, Leitfähigkeiten usw.) aus bzw. von der Reinigungslösung geprüft und so der Behandlungsfortschritt beurteilt. Die bereits verbrauchte Reinigungslösung wird in dafür geeigneten Behältern aufgefangen, ggf. vor Ort vorbehandelt und fachgerecht entsorgt. Bei der Reinigung von größeren Behältern oder Tanks können ein oder mehrere Chemikalien-Tankwaschköpfe zum Einsatz kommen, um die eingesetzte Chemikalienmenge zu minimieren und eine Befahrung der Behälter zu vermeiden. Ist eine bestimmte Reaktionstemperatur für die Arbeiten erforderlich, kann ein Wärmeübertrager eingesetzt werden, um die Lösung auf die gewünschte Temperatur zu bringen. Werden bei der chemischen Industriereinigung gasförmige Schadstoffe freigesetzt, werden diese über Hochleistungsgaswäscher aus der entstehenden Abluft ausgewaschen. Für ölhaltige Produktreste oder Feststoffe können speziell als Abscheider ausgebildete Vorlagebehälter eingesetzt werden, um die ausgetragenen Verschmutzungen nicht wieder in den Reinigungskreislauf einzutragen. Mobiler Einsatz Zur Abdeckung aller Anwendungsgebiete arbeitet Lobbe mit mobilem Equipment, das flexibel an die konkreten Anforderungen vor Ort anpassbar ist und umgehend nach Abschluss der Arbeiten aus dem Arbeitsbereich entfernt werden kann. Gerade bei Anlagendekontaminationen vor Öffnung der Anlagen oder produktspezifischen Belagsentfernungen ist es wichtig, eine optimal auf die Problemstellung angepasste Reinigungslösung einzusetzen. Vor Beginn der eigentlichen Arbeiten entnimmt das erfahrene Lobbe-Team Proben. Im Lobbe-eigenen Labor werden verschiedene chemische Ansätze auf ihre Wirksamkeit getestet. So beginnt die Problemlösung schon lange vor dem Einsatz vor Ort im Labor. Erst wenn die passende chemische Zusammensetzung der Reinigungslösung gefunden ist, wird mit dem Aufbau der mobilen Anlage begonnen. Ein spezielles Verfahren der chemischen Industriereinigung bietet Lobbe für Anlagen Die Problemlösung beginnt im Labor – lange vor dem Einsatz vor Ort an, in denen Butadien verarbeitet wird. Das Zwischenprodukt zur Kautschuksynthese reagiert bei Sauerstoffkontakt unkontrolliert zu sogenanntem „Popcorn“. Dieses „wilde“ Polymer kann großflächig zur Beschädigung von Anlagenteilen führen. Zur Erstinbetriebnahme von Butadien führenden Anlagen, nach Anlagenöffnungen zu Stillständen oder anderen Reinigungsleistungen, bei denen Sauerstoff in das System eindringt bzw. Korrosion (Rostbildung) nicht ausgeschlossen werden kann, ist die Heiß-Passivierung das Verfahren der Wahl, um gegenüber der Popcornbildung inerte Materialoberflächen zu schaffen. Fotos: Lobbe www.lobbe.de www.verfahrenstechnik.de VERFAHRENSTECHNIK 03/2021 35