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Verfahrenstechnik 12/2019

Verfahrenstechnik 12/2019

ARBEITSSCHUTZ I SPECIAL

ARBEITSSCHUTZ I SPECIAL Erdung gibt Sicherheit Statische Aufladung beim Entleeren von Big-Bags vermeiden Beim Entleeren von flexiblen Schüttgutbehältern (FIBCs) kann es zu explosiven Funkenentladungen kommen. Für den Anlagenbetreiber ist es wichtig, solche Explosionen durch statische Aufladung in einer brennbaren Atmosphäre beim Befüllen oder Entleeren von FIBCs zu vermeiden. Autor: James Grimshaw, Marketing Manager, Newson Gale, Nottingham, Großbritannien Flexible Schüttgutbehälter sind optimal geeignet für den Transport trockener, fließfähiger Materialien wie bspw. Sand, Düngemittel, Kunststoffgranulat, Samen, Harz- und Pulverlacken. Die auch als Big- Bag bekannten FIBCs bestehen aus einem flexiblen Gewebe – i. d. R. aus einem hochfesten thermoplastischen Kunststoff wie Polypropylen – und einem innenliegenden Liner. Allerdings ist die Verwendung von FIBCs nicht ganz risikofrei, da sich beim Befüllen und Entleeren in explosionsgefährdeten Bereichen sowohl der Inhalt als auch das Gewebe der Behälter elektrostatisch aufladen können. Wenn dann in einer entzündlichen Atmosphäre eine Entladung und somit Zündung erfolgt, sind die Mitarbeiter und alle Sachwerte in der Umgebung in akuter Gefahr. Die Beseitigung des potenziellen Risikos einer elektrostatischen Zündung ist deshalb unumgänglich. Fallstudie Ein aktuelles Beispiel verdeutlicht die Gefahren: Der Tankdeckel in der Produktionsanlage einer Lackfabrik war offen, sodass Lösemitteldämpfe ungehindert in den Betriebsbereich entweichen konnten. Es ließ sich nicht eindeutig feststellen, ob der Brand sofort oder erst nach fast vollständiger Entleerung des FIBCs begann. Der Mitarbeiter befand sich während der Entleerung in der Nähe des Mischbehälters, um zunächst die Verschlussbänder zu lösen und am Ende eventuelle Produktreste aus dem FIBC herauszuschütteln. In dieser Situation kam es zu einer Zündung. Der Mitarbeiter erlitt schwere Verbrennungen. Der FIBC des Typs C wurde für den Transfer von Harz in einen etwa 27 000 l fassenden Mischbehälter zur Herstellung von Lacken für die Dosenlackierung verwendet. Der Mischbehälter verfügte über dünne leitfähige Drähte, die längs durch den Auslauf verliefen und mit einer blanken Aluminiumlitze und einer Krokodilklemme verbunden waren. Der FIBC wurde mit einem Gabelstapler über den Behälter gehoben und das Harz durch eine Öffnung im aufklappbaren Mischbehälterdeckel geschüttet. Es gab keinen separaten Dampfabzug, und der Mischbehälterdeckel war nicht gasdicht. Obwohl der Mitarbeiter feststellte, dass der Erdungsdraht des FIBCs fehlte, entleerte er dennoch den Schüttgutbehälter. Bei der Untersuchung des Vorfalls kam heraus, dass es bei der Entleerung aufgrund der fehlenden Erdung des FIBCs zu einer Funkenentladung gekommen war. Aufgrund der fehlenden Erdung konnte die Ladung nicht abgeleitet werden. Ein isoliertes Objekt bleibt aufgrund des eigenen Widerstands aufgeladen. Da bekannt war, dass das Harz eine niedrige Mindestzündenergie (MZE) aufweist, war davon auszugehen, dass der in einem deutlich über dem akzeptablen Niveau vorliegende Dampf bei der Zündung eine wesentliche Rolle spielte. 38 VERFAHRENSTECHNIK 12/2019

SPECIAL I ARBEITSSCHUTZ Triboelektrischer Effekt Wie hätte das verhindert werden können? Nach einem Vorfall ist es notwendig, festzustellen, wie sich eine elektrostatische Aufladung aufbauen konnte. Die Aufladung erfolgt i. d. R. durch den Kontakt- und Trennvorgang des Materials, der zwischen Partikeln und den Anlagenteilen stattfindet – der sogenannten Triboelektrifizierung. Jedes Material lädt sich durch den triboelektrischen Effekt auf. Im Rahmen von FIBC-Prozessen erfolgt die Partikeltrennung beim Befüllen und Entleeren zwischen der Förderanlage und dem Schüttgutbehälter. Aufgrund der Art der FIBC-Anwendungen sind diese besonders anfällig für eine Aufladung. Beim beschriebenen Unfall in der Lackfabrik konnte sich elektrostatische Ladung aufbauen, da der FIBC aufgrund der Nachlässigkeit des Mitarbeiters oder als Folge von unzureichender Erdung von der Erdmasse isoliert wurde. Hätte man die Erdung über einen Schüttgutbehälter des Typs C entweder passiv (mit einer einpoligen Klammer mit Kabel) oder aktiv (mit einem Überwachungssystem) realisiert, hätte man die Verbindung zur Erde verifizieren und die Ableitung der elektrostatischen Ladungen gewährleisten können. Im Einklang mit Branchenrichtlinien, wie NFPA 77 „Recommended Practice on Static Electricity“ (Empfehlungen für den Umgang mit statischer Elektrizität) und DIN EN IEC 61340-4-4 ,,Elek tro sta tik – Teil 4-4: Stan dard-Prüf ver fah ren für spe zi el le Anwen dun gen – Ein ord nung fle xi bler Schüttgut be häl ter (FIBC) in elek tro sta ti scher Hin sicht“, sollte der Widerstand durch den Schüttgutbe hälter nicht mehr als 1 × 10 7 Ohm (10 MΩ) betragen. Ladungen nach den geltenden Richtlinien abzuleiten. Schüttgutbehälter des Typs C sind so konzipiert, dass elektrostatische Ladungen über ableitfähige Fäden, die in das Behältergewebe eingewebt sind, abgeleitet werden. An die Erdungslaschen der Schüttgutbehälter können Erdungssysteme angeschlossen werden, die eine elektrostatische Aufladung des Behälters verhindern. Nach dem Anschluss zweier Erdungsklammern an die Erdungslaschen kann das FIBC-System erkennen, ob der Schüttgutbehälter die Anforderungen der einschlägigen Normen erfüllt. Zu diesem Zweck wird ein eigensicheres Signal durch den Behälter gesendet. Das System überprüft die Erdung des Behälters, indem es sicherstellt, dass das Signal über einen verifizierten Erdungspunkt zurückkehrt (die statische Erdung wird nicht vom FIBC verifiziert). Wenn der Behälter elektrostatisch aufgeladen ist, wird diese Ladung über die ableitfähigen Gewebefäden zum verifizierten Erdungspunkt abgeleitet. Das System zur Überprüfung der Ableitschleife überwacht kontinuierlich den Widerstand des Schüttgutbehälters. Wenn der Widerstand über 1 × 10 7 Ohm ansteigt, 02 leuchtet an der Fernanzeigestation eine rote LED auf, um dem Benutzer anzuzeigen, dass das System den Einsatz nicht erlaubt. Fotos: Newson Gale, Katja Friedl www.newson-gale.de 01 Big-Bags sind das Transportmittel der Wahl in der Schüttgutindustrie Das Erdungssystem gewährleistet, dass die leitenden Behälterelemente elektrostatische Ladungen nach den geltenden Richtlinien ableiten FIBC Typ C mit brennbarem Pulver Aktives Erdungssystem Aufgrund der Größenordnung der Ladung, die sich an Schüttgutbehältern aufbauen kann, wird aus Sicherheitsgründen ein aktives Erdungssystem empfohlen. Ein solches System kann feststellen, ob die Konstruktion des Schüttgutbehälters den gültigen Normen entspricht und gewährleistet außerdem, dass der Behälter für die gesamte Dauer des Befüll-/Entleervorgangs geerdet bleibt. Das Earth-Rite FIBC-System überprüft und überwacht den Widerstand von FIBC- Schüttgutbehältern des Typs C und gewährleistet so, dass die leitenden Behälterelemente in der Lage sind, elektrostatische Elektrostatische Ladungen werden über Erdungssysteme abgeleitet Beim Entleeren des Produkts entsteht elektrostatische Aufladung VERFAHRENSTECHNIK 12/2019 39