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Verfahrenstechnik 12/2018

Verfahrenstechnik 12/2018

MESSEN, REGELN,

MESSEN, REGELN, AUTOMATISIEREN Mehrwert steckt in jeder Anlage Modernisiertes Engineering schöpft Anlagendaten optimal aus Hexion ist ein Spezialchemieunternehmen, das mit Bakelite einen der ersten Kunststoffe weltweit entwickelte. Als Anlagenbauer und -betreiber, der die Herstellung von rund 400 Produkten managen muss, begann die Duisburger Hexion GmbH 2016 mit dem Einsatz von Engineering Base (EB) in der EMR-Planung. Einer der wichtigsten Gründe war die Datenzentrierung von EB. „Wir wollten lieber in die Zukunft investieren als in ein – wenn auch bewährtes – Altsystem. EB wird für uns mehr und mehr zur ‚single source of truth‘ für alle As-built-Daten. Das sehen wir als einzig wahren Weg“, erklärt Christian Marschner, Senior Project Ingenieur bei Hexion. Da EB alle Projekte in einer zentralen Datenbank hält, sei jetzt das Abgleichen von Objekten, die zuvor in verschiedenen Projekten mehrfach dargestellt wurden, im Nu erledigt. Die Zentralisierung reduziert Fehler und Abspracheaufwand, jeder Beteiligte sieht stets den neuesten Stand. „Das spart viel Zeit“, so Marschner. Zudem überzeugte die relativ unkomplizierte Einführung von EB, das flexible Managen der Nutzerrechte und das komfor- table Einbinden von Zuliefererdaten. „Die Verknüpfung extern erstellter Daten mit Betriebsmitteln oder Funktionen ist gerade unter Zeitdruck sehr hilfreich. EB zeigt sofort alles, was man zu einem Objekt wissen muss, auch via Webservice“, berichtet der Keyuser Nils Stellmacher. Für ihn sind EBs Arbeitsblätter ein weiterer Pluspunkt. „Damit lassen sich selbst umfangreiche Wünsche schnell umsetzen.“ Zum Beispiel die Ergänzung des Stellenplans durch Ex-I-Typicals: Anpassungen im Arbeitsblatt zeigen sich unmittelbar auch in Grafik und Explorer. Die Listen seien außerdem ideal, um Unstimmigkeiten oder Fehler schnell zu beheben – eine effiziente Unterstützung auch bei der Datenmigration. EB soll nach und nach konzernweit ausgerollt werden. In Duisburg ist bereits über die Hälfte der Bestandsprojekte in EB verfügbar. Die Erweiterung einer Anlage für Verbundwerkstoffe, etwa für Windanlagen- Flügel oder Formel-1-Karosserieteile, wurde von vornherein in EB angelegt. „Hier konnten wir die Datenbankstruktur voll ausnutzen“, sagt der Projektmanager. Zurzeit arbeitet sein Team daran, mit EB künftig auch die P&IDs zu erstellen. Christian Marschners Fazit: „Erst dann wird die Plattform ihre ganze Macht entfalten. Da ist noch einiges drin!“ Fotos: Hexion, Aucotec www.aucotec.de Herr Bigvand, wie kommt es, dass kostbare Anlagendaten ihren Wert verlieren? Im Anlagen-Engineering werden Millionen Daten generiert, geändert, aktualisiert und dokumentiert. Das kostet Zeit, Geld und Know-how. Und dann? Die Anlage ist ausgeliefert und in Betrieb, die Dokumentation jedoch schlummert in irgendwelchen Dateien. In erstaunlich vielen Fällen sogar nur in Pappordnern. Doch Anlagen verändern sich, wachsen, altern. Ihre Dokumentation geht diese Entwicklung meist nicht mit, Änderungen fließen nicht ins Planungstool zurück. Papier-Pläne enthalten zwar Redlining- Einträge aus der Wartung, doch dabei geht leicht die Übersicht verloren. Oft ist vor lauter Rot der aktuelle Stand nicht mehr erkennbar. Und je überholter eine Dokumentation ist, desto schwieriger wird gezielte, effiziente Wartung. So verlieren nicht nur alternde Anlagen an Wert, sondern auch ihre einmal mit viel Aufwand erstellten Daten. Wie kann man in solchen Fällen gegensteuern und welche Rolle spielt dabei das Datenmodell in Engineering Base? Eines der größten Chemieunternehmen der Welt bezifferte den Bestandsdaten-Wert allein für seinen Standort in Köln einmal auf rund fünf Millionen Euro. Das war für das Unternehmen ein guter Grund, auf Engineering Base (EB) umzusteigen. EBs universelles Daten modell hält disziplinübergreifend alle Engineeringdaten vor 24 VERFAHRENSTECHNIK 12/2018

MESSEN, REGELN, AUTOMATISIEREN und unterstützt auch die Wartung mit praxisnahen Lösungen. Es ermöglicht Technikern, unkompliziert und zeitnah, auch ohne spezielles Engineeringwissen, die Resultate ihrer Arbeit weiterzugeben. Per App über die Cloud senden sie ihre Redlining-Informationen direkt an die Konstruktionsabteilung, die sie prüft und an passender Stelle umsetzt. In EB sind die entsprechenden Änderungen an einem Objekt – wenn gewünscht – unmittelbar in all seinen Repräsentanzen sichtbar, oder sie werden über Vorschlagsfelder gesteuert. So bleiben Daten konsistent und aktuell. Würden Sie das etwas konkretisieren? Der Wert solcher Daten zeigt sich zum Beispiel bei Störungsfällen, wenn es auf jede Minute ankommt. Sofort genau zu wissen, was wo ausgetauscht werden muss und das richtige Gerät dabeizuhaben, spart viel Geld. Anlagen haben oft lange Wege. Auch bei geplanten Umbauten sind aktuelle Anlagendaten von ungeheurem Wert. Im Datenmodell ist zum Beispiel sofort ersichtlich, wieviel Reserven die Anlage etwa bei den Signal-Eingängen noch hat oder wie es um die Schaltschrankkapazitäten bestellt ist. Darüber hinaus bietet EB ein hocheffizientes Management größerer Änderungsmaßnahmen. Sie werden direkt auf dem zentralen Anlagenmodell vorgenommen. EB koordiniert dabei die Sublieferanten, auch bei mehreren Vergabe-Ebenen. Zudem ist die Planung neuer Messfunktionen, Aktoren und Verbraucher, die in EB eigenständige Objekte sind, erleichtert. Die Software-Bausteine für ihre Steuerung lassen sich gleich passend zum Leitsystem mitplanen. Zeitraubende Parametrierungen per Hand werden überflüssig. Ein weiterer Mehrwert. Und wie kommt man zu einem aktuellen Anlagenmodell, wenn man bislang ohne EB gearbeitet hat? Dafür haben wir die intelligente Migrationslösung von Altdaten weiterentwickelt. Ein süddeutscher Chemieparkbetreiber hat damit an nur einem Wochenende 1 800 Prozessleitstellen mit insgesamt 6 700 Plänen verschiedenster Anlagen erfolgreich übertragen. Die Daten werden in gängigen Formaten wie DWG oder XLS konfiguriert, gemappt und importiert. So fasst das System alle Informationen über ein bestimmtes Objekt aus verschiedenen Disziplinen zu einem Objektmodell zusammen. Alle importierten Objekte – von der Pumpe im R&I bis zu den Klemmen im Schaltschrank – bilden dann das EB-typische, übergreifende Anlagenmodell mit allen Logik-Verknüpfungen, das für sämtliche Beteiligten bearbeitbar ist. EB vergleicht beim Import Altdaten mit den Belegungslisten im Leitsystem. Denn ein Leitsystem spiegelt naturgemäß den aktuellen Stand einer laufenden Anlage wider. Bei jedem Import zeigt EB automatisch das Delta zwischen bestehendem Modell und hinzukommenden Daten auf. Die Diskrepanzen lassen sich direkt beheben, und so konsolidiert EB nach und nach die Dokumentation zu einer konsistenten „single source of truth“ für alle Beteiligten – egal mit welchem System sie ursprünglich erarbeitet wurde. So werden dann aus Big Data quasi Smart Data? Genau. Dieses universelle Modell bildet die höchste Stufe der Digitalisierung und wertet die vorhandenen Daten weiter auf. Denn sie lassen sich, anders als in PDFs, DWG-Grafiken oder Scans, jederzeit auch im Sinne von Industrie 4.0 nutzen. Genau wie ein Navigationssystem aus einem einfachen digitalen Straßenplan weder Einbahnstraßen noch Stauinformationen herauslesen kann, behindern PDF & Co. die Engineering-Fachleute, weil die Objekte darin nicht separat verfügbar sind. EBs korrespondierendes Datenmodell macht dagegen aus Big Data Smart Data, die ohne Disziplin- und Formatgrenzen zukunftsgerechte Nutzung ermöglichen, auch über Wartung und Umbau hinaus. Ein Kunde von uns nutzt beispielsweise die strukturierten Daten in EBs aktuellem Datenmodell, um sein Predictive-Maintenance- System nicht manuell konfigurieren zu müssen. Damit kann das Unternehmen seinen Kunden weltweit vorausschauende Wartung anbieten und gleichzeitig seine Produkte kontinuierlich optimieren. Ein Geschäftsmodell, das ohne EB so nicht zu verwirklichen gewesen wäre. Digitaler geht’s also nicht mehr? Pouria Bigvand, Produktmanager, Aucotec AG, Hannover Nein, digitaler geht’s tatsächlich nicht mehr. Konventionelle Anlagenübersichten können Objekte nur grafisch darstellen, die nicht sichtbare Intelligenz dahinter ist nur mit einem Datenmodell erfassbar. EB enthält die logische Abbildung von Mechanik, Elektrik und Steuerungsdaten. Zum einen spart das auch in angeschlossenen Systemen wie Automation, ERP oder 3-D, Arbeit und Fehler. Zum anderen ist ein zentrales Modell die Voraussetzung, um den digitalen Zwilling einer Anlage abzubilden. Nicht nur aus mechanischer Sicht, sondern mit kompletter Struktur samt Logiken, Verbindungen und Geräte-Herstellerdaten. Mehrwert steckt in jeder Anlage, man muss den Schatz nur heben – das geht so nur mit Engineering Base. (eli) VERFAHRENSTECHNIK 12/2018 25