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Verfahrenstechnik 12/2016

Verfahrenstechnik 12/2016

MESSEN, REGELN,

MESSEN, REGELN, AUTOMATISIEREN Beste Kristalle Optimierung der Zuckerkristallisation Gerd R. Biller Zuckerproduzenten in Deutschland haben es nicht leicht: der Handel diktiert die Preise, und an der Kostenstruktur lässt sich schlecht etwas optimieren. Zuckerrüben sind ein zu schweres Gut, um sie zwischen den einzelnen Prozessschritten hin und her zu transportieren – Zucker ist nur dann noch bezahlbar, wenn die Rüben nahe der Erzeugerstandorte verarbeitet werden und man die Produktionsprozesse auf höchsten Ertrag bei geringstem Zeit- und Energieaufwand hin fährt. Ein wesentlicher Prozessschritt ist dabei im Zuckerhaus die Kristallisation. Darunter versteht man die Gewinnung der im Dicksaft gelösten Saccharose. Dieser verfahrenstechnische Schritt erfolgt in mehreren Verdampferstufen mit dem Ziel, in der Der physikalische Vorgang der Kristallisation dient der Trennung des Zuckers von den Nichtzuckerstoffen. Dies wird mit einer hohen Ausbeute dann erreicht, wenn der Kristallisationsprozess so gut geführt wird, dass ein Kristallisat von möglichst gleichmäßiger Struktur erzielt wird, d. h. mit wenig agglomerierten Kristallen und wenig Feinanteilen. Bleibt in einer Prozessstufe die Qualität der Kristalle hinter den Erwartungen zurück, wird in der Regel die Charge wieder aufgelöst und der Vorgang neu gestartet, was naturgemäß die Produktionskosten unnötig erhöht. Ein Parameter einer guten Kristallisation ist die technische Ausführung und Beschaffenheit der Verdampfungskristallisatoren. Sie sollten so beschaffen sein, dass schon durch die Anlage der Heizelemente, des Rührwerkes und der Beschickungsinstallation die Bildung der Kristalle unterstützt und begünstigt wird. Hierzu gehören auch die gleichmäßige Einbringung der Impfkristalle (Kristallfuß) und die Installationspunkte der Mess- und Überwachungsinstrumente. Ein weiterer Parameter zur Erhöhung oder Verstetigung der Ausbringungsmenge könnte in der Optimierung des Kristallisationsprozesses selbst liegen. Dabei spielen neben anderen Größen die schon erwähnten Sättigungsbedingungen eine entscheidende Rolle. In der Produktionspraxis hat sich eine leichte Übersättigung (> 1,0) als beste Bedingung (metastabile Region) für den Kristallisationsprozess herausgestellt. Übersteigt die Übersättigung einen gewisfinalen Stufe eine möglichst hohe Reinheit der Melasse zu erzielen. Diese wiederum ist von der Güte der Kristallisation und den Sättigungsbedingungen abhängig. Aber schon in den Vorstufen wird mit dem Ziel einer maximal erreichbaren Entzuckerung der Lösung danach getrachtet, im Magma einen möglichst hohen Kristallanteil zu erhalten. Kristallisation ist entscheidend Autor: Gerd R. Biller, Bühler Technologies GmbH, Ratingen

MESSEN, REGELN, AUTOMATISIEREN sen Wert, führt dies zu Kristallfehlbildungen und damit u. U. zum Verlust bzw. der Wiederaufarbeitung der Charge. Steuerung des Prozesses Bei der Suche nach Entlastungsmöglichkeiten vom eingangs erwähnten Preisdruck muss jedwede Möglichkeit zur Produktivitätssteigerung respektive Kostensenkung evaluiert werden. Es sollte daher auch untersucht werden, ob im Kristallisationsprozess noch Reserven liegen. Vor diesem Hintergrund hat die Firma K-Patents aus Finnland zur möglichst präzisen Steuerung der optimalen Übersättigungsregion unter Mitwirkung verschiedener Fachleute aus dem technisch/wissenschaftlichen Bereich der Zuckergewinnung einen Multiparameter- Kristallisationsrechner entwickelt und bereits in verschiedenen Zuckerfabriken auf der Welt zum Einsatz gebracht. Man nutzt dabei die folgenden Parameter: Konzentration der Mutterlösung in %, Temperatur Magma in °C/°F, Dichte Magma in kg/m³, Feststoffanteil Magma in % und Magma Niveau in %. Dazu kommen Informationen über die Beschaffenheit des Dicksaftes. 01 Kristallisat mit Agglomerationen (oben) und mit hohem Feinanteil (unten) 02 Beispiel einer möglichen Bildschirmanzeige am Überwachungssystem Seedmaster Komplette Überwachung Zur kompletten Überwachung des Prozesses wird das System Seedmaster SM-3 eingesetzt, das aus der Hardware (Refraktometersensor und Auswerteelektronik mit zusätzlichen Messwerteingängen) und der Software (Berechnung der Kristallisationsqualität aus allen Meßwerten) besteht. Das Systen verknüpft die Daten von verschiedenen Messstellen mit einem speziell für den Kristallisationsprozess entwickelten Algorithmus, um den Zugabepunkt der Impflösung zu bestimmen und um das Übersättigungsniveau während der gesamten Kristallisationsverfahren am optimalen Limit zu halten. Zu diesem Zweck werden folgende Messwerte verknüpft: Mutterlösungskonzentration im Magma mittels Prozessrefraktometer, Temperatur im Magma mittels Prozessrefraktometer, Dichte Magma mittels Mikrowellentransmitter (evtl. radiometrisch) sowie Feststoffanteil Magma mittels Mikrowellentransmitter (evtl. radiometrisch). An Ausgangssignalen stellt das Gerät folgende Daten als Mess- oder verrechnete Werte zur Verfügung: 1. Übersättigung, 2. Dichte Magma in kg/m³, 3. Kristallanteil in Vol.%, 4. Mutterlösungsreinheit in %, 5. durchschnittliche Kristallgröße in mm, 6. Mutterlösungskonzentration in %, 7. Temperatur in C°/F°, 8. Magma Niveau in % (Option). An Produktdaten sind auslesbar: die durchschnittliche Kristallgröße (wenn Impfung mit Kristallfuß durchgeführt), das Kristallgewicht pro Batch, der Kristallertrag pro Batch und das Batch Archiv. Das Gerät kann über Modbus oder alternativ über analoge IO-Signale mit den Sensoren und der Leitstelle kommunizieren. Das für die Konzentrationsmessung eingesetzte Prozessrefraktometer kann optional mit einer Warmwasserspüleinrichtung (z. B. mit dem anfallenden warmen Kondensat aus dem Prozess) des optischen Prismas ausgerüstet werden, um die Betriebssicherheit zu erhöhen. Fotos: Fotolia, Bühler www.buehler-technologies.com Literatur: L. Rosza: On-line monitoring and control of supersaturation and other massecuite parameters in vacuum pans: a control engineering approach, International sugar Journal 2011, vol.113, no. 1356. L. Rozsa, Giovanni M. Arriaza, Marco T. Romero: Advanced control of cristallisation based on direct use of on-line data on supersaturation: Theory and practice, Sugar industry technologists annual meeting, Guangzhou, China. VERFAHRENSTECHNIK 12/2016 33