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Verfahrenstechnik 11/2020

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Verfahrenstechnik 11/2020

MESSEN, REGELN,

MESSEN, REGELN, AUTOMATISIEREN Lieber mit Schwimmer Füllstandmessung in Pharma-Fermentern In Fermentern der Pharmaindustrie spielen sich höchst lebendige Prozesse ab – Füllstandmessungen in Behältern mit brodelnden Medien haben da ihre Tücken. Warum bei solchen Applikationen Sensoren mit Schwimmer im Vergleich zu anderen Messmethoden deutlich im Vorteil sind, erfahren Sie im Beitrag. Fermenter leisten Basisarbeit. In ihnen entwickeln sich die Ausgangsstoffe für Wirkstoffe und Arzneien. Der Inhalt solcher Bioreaktoren ist ständig in Bewegung und kann sich im Laufe des Verfahrens mehrfach verändern. Die Sensibilität der Prozesse erfordert deren sorgfältige Steuerung und Überwachung, um weder die Produktqualität zu gefährden noch den wirtschaftlichen Wert des Inhalts aufs Spiel zu setzen. Demzufolge hat das notwendige Messinstrumentarium generell alle gängigen Standards der sterilen Verfahrenstechnik zu erfüllen, Autor: Andreas Krüger, Product Management– Sales Support, WIKA Alexander Wiegand SE & Co. KG, Klingenberg vom Hygienic Design bis hin zur CIP/SIP- Fähigkeit. Ein kritischer Messwert bei den Abläufen im Fermenter ist der Füllstand. Obwohl sein Prinzip „old-fashioned“ erscheint, kristallisiert sich ein Füllstandtransmitter mit Schwimmer als die zielführendste Lösung heraus. Die Funktion des Schwimmkörpers, der sich als Signalgeber analog zum Füllstand auf einem Gleitrohr bewegt, bleibt von Veränderungsprozessen im Medium unbeeinflusst. Messmethoden mit Grenzen Die infrage kommenden Alternativen – Pegelsonden, Differenzdruckmessung und Radar – weisen hier Grenzen auf. Die lebhaften Messstoffkonditionen, hervorgerufen durch wandelnde Zellkulturen, entziehen ihnen die Basis für eine genaue Niveauermittlung. So scheidet die hydrostatische Messung mittels Pegelsonde wegen der heterogenen Dichteverhältnisse aus. Die Dichte wird aufgrund des Zellwachstums und der Zuführung von Nährmittellösungen zu einer variablen Größe. Demzufolge kann sich der Druck ändern, ohne nennenswerte Auswirkungen auf den Füllstand zu haben. Eine Differenzdruck-Messanordnung würde aus diesem Grund eine fehlerhafte Information ausgeben. Das freistrahlende Radar misst ohne Berührung mit dem Medium. Es liefert aber nur dann einen belastbaren Wert, wenn die 01 Dieses Füllstand-Messgerät mit Schwimmer kann umgehend und ohne externe Hilfe in Betrieb genommen werden Oberfläche des Mediums glatt ist. Im Fall eines Bioreaktors kann davon aber kaum die Rede sein. Deswegen neigen Anwender hier zu einer Lösung mit geführtem Radar. Das heißt: Der Messstrahl verläuft entlang eines Rohrs, das in das Medium hineinragt, vergleichbar mit dem Gleitrohr eines Füllstandssensors mit Schwimmer. Doch auch diese Art der Radarmessung hat Grenzen. Das von den biologisch-physikalischen Vorgängen verursachte Aufwallen der Inhaltsoberfläche wird oft von Rührwerken, die zur Mischung verschiedener Substanzen dienen, noch verstärkt. Das Radar reagiert darauf mit Mehrfachreflexionen, was zu einer Reduzierung der Signalstärke führt. Sichere Trennschichtmessung Die meisten Prozesse in Fermentern bilden zudem Schaum, der wegen der Lebendkulturen einen erhöhten Eiweißanteil aufweist. Dessen Schicht ist daher im Vergleich zu der in anderen Applikationen höher und fester. Da die Mikrowellen des Radars von einer Oberfläche reflektiert werden, reagiert das Messgerät mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Schaum und liefert so einen abweichenden Wert für den Füllstand. Sensoren mit Schwimmer hingegen ermöglichen 20 VERFAHRENSTECHNIK 11/2020 www.verfahrenstechnik.de

MESSEN, REGELN, AUTOMATISIEREN eine zweifelsfreie Trennschichtmessung. Die Schwimmer können so ballastiert werden, dass sie sich stets auf der tatsächlichen Oberfläche befinden. Im Hygienic Design haben sie einen oval-kugelförmigen und elektropolierten Korpus mit entsprechender Oberflächenrauheit und ohne sichtbare Schweißnähte. Ein entscheidender Parameter für die Funktionalität des geführten Radars ist die Dielektrizitätskonstante. Ihr Wert wird über den Wassergehalt des Messstoffs definiert und im Messgerät voreingestellt. In vielen Fermentern jedoch vereinen sich unterschiedliche Substanzen zu einem neuen Medium, wachsen Zellkulturen und vermehren sich, gefördert zum Beispiel durch die Zufuhr von Glukose. Diese Vorgänge verändern die Wasserkonzentration und damit die Dielektrizitätskonstante, aber nicht den Pegel des Behälterinhalts. Deswegen können die Ergebnisse einer Radarmessung durchaus mit einem Fragezeichen versehen werden. Die Niveaumessung von Sensoren mit Schwimmer bleibt von derartigen Prozessen unberührt. Nicht nur der wandelnde Wassergehalt hat negative Folgen für die Zuverlässigkeit einer Messlösung mit Radar. Eine wachsende Feuchtigkeit im oberen Teil des Behälters oder eine Kondensation auf dem Messgerät selbst können zu einem Fehlverhalten führen. Ähnliches gilt bei einer unvorhergesehenen Überfüllung des Fermenters, wenn Schaum zum Beispiel in Folge einer Überreaktion bis an die Reaktordecke reicht. Das kann im schwerwiegendsten Fall einen Kurzschluss und damit den Ausfall des Radargeräts verursachen. Größte Präzision Ein ausschlaggebendes Kriterium bei jeder Messaufgabe ist die Genauigkeit, erst recht bei kostenintensiven Pharmaprozessen mit hohen Qualitätsanforderungen. Bei der Füllstandüberwachung liefern magnetostriktive Transmitter mit Schwimmer die größte Präzision. Eine Genauigkeit bis zu 0,1 % und eine sehr hohe Auflösung von ≤ 1 mm bei kontinuierlicher Niveauerfassung markieren einen deutlichen Abstand zu den anderen Messsystemen wie Schwimmergeräte mit Reedkette, geführtes Radar oder Differenzdruck. Im Gleitrohr eines solchen Transmitters ist ein Draht aus magnetostriktivem Material eingespannt. Durch einen Stromimpuls wird ein zirkulares Magnetfeld erzeugt, das den Draht tordiert. Ein Schwimmer mit Permanentmagnet zeigt den Flüssigkeitspegel an. Bei der Überlagerung beider Magnetfelder wird im Draht eine mechanische Welle ausgelöst, die an dessen Ende im Sensorgehäuse von einem piezokeramischen Umformer in ein elektrisches Ausgangssignal umgewandelt wird. Wie alle Schwimmergeräte können magnetostriktive Transmitter umgehend und ohne externe Hilfe in Betrieb genommen werden. Das gilt auch für Fermenter mit außergewöhnlichen Geometrien. Ein geführtes Radar hingegen muss im Fall spezieller Behälterabmessungen in der Regel vor dem Einsatz von einem Mitarbeiter des Herstellers an Ort und Stelle kalibriert werden. Bei Applikationen dieser Art haben Anlagenbetreiber zudem festgestellt, dass die Genauigkeit der Radarmessung am untersten Ende der Führungsstange tendenziell abnimmt. Unaufwändige Rekalibrierung In Fermentern liefern magnetrostriktive Füllstandtransmitter mit Schwimmer eine hohe Präzision Füllstand-Messgeräte in Fermentern werden in der Regel einmal jährlich geprüft, ob sie den spezifizierten Messbereich einhalten. Beim geführten Radar gestaltet sich dieses Verfahren vergleichsweise aufwändig. Zur Überprüfung der beiden Endsignale (4 mA = 0 % und 20 mA = 100 %) muss der Reaktor erst entleert und anschließend wieder bis zum definierten Maximalstand befüllt werden. Messlösungen mit Schwimmer hingegen können bei gefülltem Behälter und unabhängig vom Niveau rekalibriert werden, was Zeit und Kosten spart: Der Schwimmkörper wird unter Berücksichtigung der Hygienebedingungen mechanisch mit einem Stab an die beiden Positionen gebracht. Fazit: Im Vergleich aller Messmethoden, die für die Niveauerfassung in Fermentern der Pharmaindustrie in Frage kommen, liegen Füllstandtransmitter mit Schwimmer vorn. Biologische Prozesse im Medium und deren Auswirkungen haben keinen Einfluss auf ihr Messprinzip: Der Schwimmer als Signalgeber wird anwendungsspezifisch konstruiert und ballastiert, sodass er stets den tatsächlichen Pegel des Mediums anzeigt. Magnetostriktiv-Transmitter mit Schwimmer liefern zudem die höchste Genauigkeit (bis zu 0,1 %) aller Messlösungen für Fermenter. Fotos: Wika, PhotoMan/stock.adobe.com, Ivan Traimak/stock.adobe.com www.wika.de 02 Die Füllstandmessung in Fermentern hat ihre Tücken – hier zeigen Sensoren mit Schwimmern Vorteile www.verfahrenstechnik.de VERFAHRENSTECHNIK 11/2020 21