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Verfahrenstechnik 11/2019

Verfahrenstechnik 11/2019

SPS I SPECIAL Echter

SPS I SPECIAL Echter Mehrwert Mit offenen Schnittstellen die Digitalisierung in der Prozessindustrie vorantreiben Daten sind für Innovationen in der Prozessindustrie essenziell. Wer über sie verfügt, kann alle Vorteile der Digitalisierung nutzen, neue Ansätze fahren, Prozesse optimieren und effizienter werden. Bisher fehlt Unternehmen diese Möglichkeit, weil Prozessinformationen i. d. R. schwer zugänglich in herstellerspezifischen Sys temen eingeschlossen sind. Eine Indus trie-4.0- Demonstrations- und Testanlage im Industriepark Höchst soll das Problem lösen. Daten werden hier durch eine offene Schnittstelle in die Systemwelt exportiert, sodass sie frei für Monitorings- und Optimierungsaufgaben genutzt werden können. „Die Zukunft der Prozessindustrie ist ganz klar eine offene Lösung. Wir brauchen die Konnektivität nach draußen, wir müssen runter von der Insel, um neue Möglichkeiten und neue Potenziale zu erschließen“, sagt Ronny Becker, Prüfingenieur bei der Firma Bilfinger Maintenance, die die Anlage im Auftrag der Interessengemeinschaft Regelwerke Technik (IGR) gebaut hat. Sie besteht aus zwei Behältern, Pumpen, Ventilen und Sensoren und ist an zwei Cloud- Systeme angebunden, mit denen Prozessdaten verwaltet, strukturiert und analysiert werden können. Dadurch können die IGR-Mitglieder aktuelle Gerätetechnik, Cyber-Security-Maßnahmen, einheitliche Standards zur Übertragung von Gerätedaten sowie die Datenverarbeitung und -analyse innerhalb einer Cloud optimal testen. „Kavitation, Pumpenverspannung oder Gasblasen in Rohrleitungen – in der IGR- Demonstrationsanlage haben sich die meisten Gerätehersteller mittlerweile eingefunden, ihre Geräte zur Verfügung gestellt und arbeiten aktiv in Projekten mit“, sagt Elisabeth Wächter-Schäper, Leiterin des Kompetenzcenters Elektro-, Mess- und Regeltechnik bei der IGR. Das Wago-I/O- System 750 übernimmt in der Anlage eine Schlüsselfunktion. Zwölf an das System angebundene Hart-Sensoren messen wichtige Prozessgrößen wie Durchfluss, Temperatur und Druck. Der Controller PFC200 XTR des I/O-Systems sammelt die Hart-Daten der verdrahteten Hart-Sensoren ein und gibt sie sowohl an das Prozessleitsystem Delta-V von Emerson als auch über einen Hilscher- Switch an die Cloud weiter. Vom Sensor in die Cloud Wenn die Prozessindustrie die Vorteile der Digitalisierung ausschöpfen will, muss sie Prozessinformationen leichter nutzen können als bisher. Eine offene Automatisierung gemäß dem Namur Open Architecture- Konzept bietet hierfür eine Lösung. Eine Demonstrations- und Testanlage für Industrie 4.0 im Industriepark Höchst beweist, dass sich das Konzept mit vertretbarem Aufwand umsetzen lässt. Die Sensordaten lassen sich unabhängig vom Prozesskanal für die Prozesssteuerung über OPC UA auslesen. Die Anlage wurde nach dem Konzept der Namur Open Architecture (NOA) errichtet. „Eine unserer Grundvoraussetzungen bei der Automatisierung der Testanlage ist es gewesen, zwei voneinander unabhängige Datenströme zum Leitsystem und zur Cloud aufzubauen“, erklärt Becker. „Mit dem I/O-System können wir unabhängig vom Prozesskanal für die Prozesssteuerung, die über Profibus-DP erfolgt, die Daten der Hart-Sensorik über OPC UA auslesen.“ Mit dem PFC200 XTR sei der zweite, separate Kanal problemlos zu implementieren gewesen. „Dadurch ist das Prozessleitsystem, das den chemischen Prozess steuert, von der Cloud-Kommunikation so abgeschottet, dass das System nicht von außen manipuliert werden kann“, erklärt Becker. Bisher müssten die Daten der Hart-Sensorik aus dem Prozessleitsystem abgegriffen werden. Das sei „nur gegen Einwurf von viel Geld beim Hersteller des Prozessleitsystems“ möglich, habe Probleme mit Autor: Sascha Rentzing, Leiter Content, Wago Kontakttechnik GmbH & Co. KG, Minden 44 VERFAHRENSTECHNIK 11/2019

SPECIAL I SPS 02 Der Controller PFC200 XTR ist wesentlicher Bestandteil der Automatisierungslösung in der Anlage: Er ermöglicht die parallele Übertragung von Prozessdaten via Profibus-DP und UPC UA 01 Die Industrie-4.0-Demonstrations- und Testanlage im Industriepark Höchst besteht aus zwei Behältern, Pumpen, Ventilen und Sensoren und ist an zwei Cloud-Systeme angebunden, mit denen Prozessdaten verwaltet, strukturiert und analysiert werden können der IT-Security zur Folge und berge die Gefahr, die Prozesssteuerung zu beeinflussen, so Becker. Perfektes Zusammenspiel Der Wago-Controller übergibt die Messwerte der Hart-Sensoren via OPC UA an das Hilscher-Gateway, das als Schnittstelle aller gesammelten Daten zwischengeschaltet ist. Von dort werden die Informationen per MQTT an die Cloud-Plattformen Microsoft Azure und Amazon Web Services (AWS) gesendet und in Datenbanken abgelegt. Parallel sendet der Wago-Controller die Daten über Profibus-DP an das Prozessleitsystem. Dazu können die Die Zukunft der Prozessindustrie ist eine offene Lösung, die Daten frei verfügbar macht. Ronny Becker, Prüfingenieur bei der Firma Bilfinger Maintenance digitalen und analogen Ausgänge des I/O- Systems 750 wahlweise über Profibus-DP oder OPC UA angesteuert werden. Wago bedient sich CMD-Befehlen für die Integration der Hart-Sensoren, der Controller sammelt dabei die Signale über den CMD3- und CMD13-Befehl ein. Über den CMD18-Befehl kann jeder Sensor „getaggt“ werden. Dateneingabe und Konfiguration erfolgen über die interne HTML5- Webvisualisierung. Mit den CMD-Daten werden neben dem Prozessmesswert vier Zusatz variablen inklusive Einheit und Beschreibung übertragen. Beispiels weise kann ein Coriolis-Massemesser als multivariables Messgerät neben dem Massedurchfluss auch weitere Informationen wie Dichte und Temperatur liefern. Diese Werte können einfach über die Hart-Kommunika tion aus dem Gerät ausgelesen werden. Ein Controller, viele Funktionen Ein weiterer Vorteil des Systems: die Konfiguration von Hart-Sensoren über „Hart Tool Routing“ mit einem FDT-Tool. Um den Zugriff über das FDT-Tool auf den Sensor einzurichten, stellt Wago das entsprechende Geräte- und Kommunikations-DTM bereit. Die Kommunikation zwischen FDT-Tool und dem Wago Controller PFC200XTR erfolgt über Modbus TCP. Der Sensor muss dadurch weder abgeklemmt noch ein Adapter zwischengeschaltet werden. Mit „Hart Tool Routing“ kann der Anwender direkt vom FDT-Tool über die IP des Controllers auf die Sensorik zugreifen. „Mit dem PFC200 XTR von Wago steht in einem Controller Hart-, Profibus-DP-, Modbus- und OPC UA-Kommunikation zur Verfügung sowie zusätzlich ein Webserver, der eine Webvisualisierung in HTML5 für das Administrieren und Engineering ermöglicht“, so Becker: „Wir sind völlig begeistert, weil der Controller von Wago den erforderlichen zweiten Kanal wirklich durchgängig und vernünftig bereitstellt. Wir nutzen diese Funktionalität und haben zusätzlich die vier Hart-Variablen als Zusatzinformationen. Das ist ein wichtiger Mehrwert, den uns der Wago Controller bietet.“ Halle 7, Stand 130/230/330 Fotos: Wago, alphaspirit/stock.adobe.com www.wago.com VERFAHRENSTECHNIK 11/2019 45