Aufrufe
vor 5 Jahren

Verfahrenstechnik 1-2/2019

Verfahrenstechnik 1-2/2019

AKTUELLES I INTERVIEW

AKTUELLES I INTERVIEW Stark aus Tradition 125 Jahre Gea Separation – Vom Maschinenbauer zum ganzheitlichen Lösungsanbieter 1893 war das Jahr der Erfindungen mit dem Dieselmotor von Rudolf Diesel und dem Reißverschluss von Whitcomb Judson. Es war aber auch das Jahr, in dem die Firma Westfalia gegründet wurde: Franz Ramesohl und Franz Schmidt eröffneten am 1. September im westfälischen Oelde eine Werkstatt und stellten Hand-Milch-Zentrifugen mit dem Modellnamen Westfalia her. Wir sprachen mit Gea-Vorstandsmitglied Steffen Bersch über das traditionsreiche Unternehmen. Herr Bersch, die Firma Gea Westfalia wurde am 1. September 1893 gegründet. Wie waren die Anfänge des Unternehmens? 125 Jahre Gea Separation, das ist die Erfolgsgeschichte von einem Maschinenbauer hin zu einem ganzheitlichen Lösungsanbieter und global agierenden Technologieführer. Neben Erfindergeist, Fleiß und Kreativität hatten alle – von den Gründungsvätern bis zur heutigen Generation – eine gemeinsame DNA. Die besteht, neben aller Kompetenz, aus den Fähigkeiten, sich immer wieder zu hinterfragen, Bedürfnisse und Anforderungen des Mark- tes zu erkennen und zu nutzen, über den regionalen und fachlichen Tellerrand zu schauen und nicht zuletzt immer wieder Mut und Ausdauer zu zeigen. Stellvertretend möchte ich unsere Gründer, den Kaufmann Franz Ramesohl und den Kunsttischler Franz Schmidt aus dem westfälischen Oelde, nennen. Sie gründeten am 1. September 1893 das Unternehmen und schauten bereits über den Tellerrand, genauer gesagt nach Nordamerika mit seinen riesigen landwirtschaftlichen Flächen. Schnell wurde die Idee geboren, auch Melkmaschinen herzustellen. 1901 gab es eine kurze Episode als Motorrad- und wenig später Automobilhersteller – ein 01 Steffen Bersch, Mitglied des Vorstands der Gea Group Aktiengesellschaft Experiment, das allerdings weniger erfolgreich war und 1919 endgültig aufgegeben wurde, damals dann schon unter Werner Habig. Fortan fokussierte sich Westfalia Separator auf Produkte und Systeme für effiziente und wirtschaftliche Trenntechnik. Und welche Meilensteine gab es in der Trenntechnik? Bereits 1922 wurden neue Öl-Separatoren mit Transmissionsantrieb, elektrischem Antrieb und angebautem Motor vorgestellt. 1926 kam dann der Durchbruch bei Mineralöl-Separatoren an Bord von Schiffen, womit das Unternehmen auf die Kundenlisten bekannter Werften und Reedereien kam. Ab 1928 wurden die Milch-Separatoren so konstruiert, dass die Gestelle geschlossen und damit hygienisch sicherer waren. Im Jahr 1930 meldete Westfalia die erste Schleudertrommel mit selbsttätiger Schlammaustragung an. Zum ersten Mal wurde damit ein Separator auch zur Separierung von Schweröl, das als Dieselmotortreiböl verwendet wird, eingesetzt. Die Produktion von Blut-Separatoren wurde 1934 aufgenommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging es weiter mit der Produktion von Stärke-Separatoren (1948) und Systemen zur Speiseöl-Filtration (1953). 1955 begann der Bau von Dekantern. Das Maschinenbauunternehmen Gea wurde 1994 Mehrheitsaktionär der Westfalia Separator AG. Im Jahr 2008 nahm Westfalia Separator schließlich das „Gea“ als festen Bestandteil in den Firmennamen auf. Welche Rolle spielen die Separatoren und Dekanter mittlerweile in der Prozessindustrie? Grundsätzlich sind Separatoren und Dekanter die günstigste und sicherste Art, Fest/ flüssig- und Flüssig/flüssig-Materialien 10 VERFAHRENSTECHNIK 1-2/2019

voneinander zu trennen. Separatoren sind Hochgeschwindigkeitszentrifugen, die bis zu 10 000 g erreichen können. Sie verfügen über eine vertikal gelagerte Trommel und kommen in erster Linie für die Klärung und Trennung von Flüssigkeiten mit geringem oder ohne Feststoffgehalt zum Einsatz. Separatoren können Partikel mit einer Größe von unter 1 bis ca. 500 µm aus Flüssigkeiten abtrennen mit einem Feststoffgehalt von 0,1 bis 3 Vol.-%. Die Durchsatzleistungen der Separatoren reichen von 50 bis 250 000 l/h; ein komfortables Spek trum für alle Prozessstufen, in denen mechanische Trenntechnik erforderlich ist. Nur die hohen Zentrifugalkräfte unserer Separatoren können zum Beispiel dem sehr geringen Dichteunterschied zwischen schwerem Rohöl und Wasser zuverlässig beikommen, um sie effektiv voneinander trennen zu können. Sie stellen außerdem sicher, dass der Restölgehalt beispiels weise in Wasser aus der Formation 5 ppm nie überschreitet. Wenn der Feststoffgehalt mit bis zu 60 Vol.-% in der Suspension zu hoch ist, schlägt die Stunde des Dekanters. Sie werden daher häufig einem Separator zur Klärung oder maximalen Entwässerung der Suspension vorgeschaltet. In der 3-Phasen-Aus führung trennen sie Öl und Wasser bei gleichzeitiger Abscheidung der Feststoffe. Dekanter verfügen über horizontal ge lagerte, schnell drehende Trommeln, in denen eine Förderschnecke den ent wässerten oder eingedickten Feststoff zum Austrag befördert. Dazu braucht es leistungsstarke Antriebe und eine Schneckendrehzahlregelung, die sich automatisch an die Feststoffkonzentration des zugeführten Produktes anpasst. Gea Dekanterzentrifugen kommen beispielsweise in der Öl- und Gasindustrie für die Aufbereitung von Bohrschlamm oder zur Reinigung von Alt- bzw. Slop-Öl zum Einsatz. Und wie kommt der Kunde bei dieser Produktvielfalt zu „seiner“ optimalen Lösung? Um unseren Kunden optimale Lösungen für ihre Anforderungen zur Verfügung zu stellen, haben wir 2014 ein hauseigenes Process Test Center (PTC) eröffnet. Hier werden Investitionsvorhaben von Kunden umfangreich durch Spezialisten begleitet: Angefangen mit der Spezifizierung von Das Jubiläum ist ein Ansporn, Innovationen weiter voranzutreiben und die Prozesse der Kunden zu verbessern 02 Das Process Test Center (PTC) der Gea in Oelde ist bewährter Partner bei der maßgeschneiderten Neuentwicklung verfahrenstechnischer Lösungen und Optimierung bestehender Prozesse Produkteigenschaften über die Bestimmung und Auslegung der Maschinentypen bis hin zu Pilotversuchen bei uns und vor Ort beim Kunden. In Zusammenarbeit mit dem Kunden, unseren Produktmanagern und dem Process Development entwickelt und testet das PTC auch ganz neue Verfahrensabläufe. Es wurden bislang über 11 000 Versuche und Prozessentwicklungen sowie mehr als 18 000 labortechnische Produktanalysen durchgeführt. Gebündelt wird dieses Know-how in einer Datenbank, die jedes Jahr durch etwa 500 neue Produktprüfungen und über 150 Prozessentwicklungen ergänzt und aktualisiert wird. Genau so entstanden die 3 500 Prozesse aus den unterschiedlichsten Industrien, die wir mit unseren Produkten und Systemen entwickelt haben. Warum sollte ein Anlagenbetreiber in der Prozessindustrie sich für Gea entscheiden? Zunächst muss man sich anschauen, wo die Entwicklung von Anlagen und Maschinen hingeht. Wir stellen fest, dass die Bedeutung der Automation und Einbindung der Maschine in die Kundenprozesse, Stichwort „Industrie 4.0“, immer weiter steigt. Kunden kaufen heute eher Leistung und Performance als die reine Maschine. Wir haben uns daher von einem reinen Maschinenbauer zu einem kompetenten Lösungsanbieter für Applikationen jeder Art entwickelt. Dazu kommen eine individuelle Betreuung und Beratung regional und global von der ersten Anfrage bis hin zur Unterstützung bei der Inbetriebnahme vor Ort. Weiterhin bieten wir innovative Servicekonzepte über den kompletten Lebenszyklus der Maschine und Anlage. Dazu gehören beispielsweise das Monitoring von Servicebedarf, Asset Management, Consulting und die Optimierung der Performance beim Kunden. Welche Bedeutung hat das Thema Digitalisierung für Ihr Unternehmen und die Produkte? Wir verstehen Digitalisierung vor allem als Chance und den Wegbereiter für neues Wachstums- und Entwicklungspotenzial, sowohl im Neumaschinenbereich als auch in Bezug auf das wachsende Angebot an Servicelösungen. Ein aktuelles Beispiel aus dem Bereich Service: Gea Performance Plus beinhaltet Service-Pakete, die weit über die klassische Instandhaltung hinausgehen und eine ideale Ergänzung zu einer Industrie-4.0-Strategie darstellen. Hierdurch werden Optimierungspotenziale aufgedeckt, die einen nachhaltigen Anlagenbetrieb ermöglichen. Moderne Technologien zur Zustandsüberwachung geben dem Kunden kombiniert mit dem Knowhow unserer Mitarbeiter aussagekräftige Zustandsanalysen und Informationen zur Entscheidungsfindung hinsichtlich möglicher Prozessoptimierungen – mit dem Ziel der permanenten Verfügbarkeit und maximalen Produktivität. Gleichzeitig können veränderte Produktionsanforderungen besser beurteilt und Aufträge wirtschaftlich optimal terminiert werden. Oder ein anderes Beispiel, der „denkende Separator“. Hier sehen wir, was allein technisch möglich ist. Bislang waren für das optimale Einstellen der Maschine, Erfahrung, Gehör und Intuition eines Bedieners nötig. Gemeinsam mit Forschern am Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik ist es uns gelungen, dieses Wissen in ein Expertensystem unter Verwendung von neuronalen Netzen zu übertragen. Intelligente Separatoren können so künftig mit einem deutlich höheren Automatisierungsgrad arbeiten. Sie gewährleisten auch die bestmögliche Trennung der Produkte. (eli) Fotos: Gea www.gea.com VERFAHRENSTECHNIK 1-2/2019 11