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Verfahrenstechnik 1-2/2016

Verfahrenstechnik 1-2/2016

Die Firma Bungartz

Die Firma Bungartz fertigt trockenlaufsichere Spezialkreiselpumpen, die für Aufgaben eingesetzt werden, bei denen herkömmliche Pumpen versagen. Die Geschichte des Unternehmens beginnt in den 30er-Jahren mit Paul Bungartz, heute führt Frank Bungartz die Geschäfte – wir sprachen mit ihm am Fertigungsstandort in Euskirchen. Eine Frage der Philosophie „Unsere Pumpen erhöhen die Sicherheit und senken die Anlagenkosten“ Herr Bungartz, Sie leiten das Unternehmen Paul Bungartz in der dritten Generation. Bitte berichten Sie uns von den Anfängen … Mein Großvater Paul Bungartz hat in den 30er-Jahren die hydrodynamische Abdichtung entwickelt und patentieren lassen. Hintergrund für seine Entwicklung war, dass Pumpen meistens wegen Dichtungsproblemen ausgefallen sind. Hydrodynamische Abdichtungen sorgen dafür, dass die Flüssigkeit von der klassischen Dichtung ferngehalten wird. Die Pumpen wurden damals in Magdeburg bei der Firma Mackensen in Lizenz gefertigt. Da es für einen Unternehmer nach dem 2. Weltkrieg schwierig war, in Ostdeutschland weiterzuarbeiten, ist mein Großvater nach Düsseldorf gezogen. Dort gab es mit den Maizena Werken in Krefeld und dem Bayer Werk in Leverkusen auch entsprechende Kundschaft für ihn. 1947 gründete er in Düsseldorf die Firma Paul Bungartz GmbH und Co. KG. Wieso wurden die Pumpen nicht in Düsseldorf, sondern hier in Euskirchen in der Eifel gefertigt? Euskirchen wurde deshalb Fertigungsstandort, weil der Firmengründer dort bereits seine patentierten Bierdruckregler für Schankanlagen bauen ließ. Es war für ihn naheliegend, hier auch die Pumpen bauen zu lassen. Allerdings ließen sich unsere Kunden von Euskirchen aus nur schwer betreuen, sodass wir seit damals an zwei Standorten vertreten sind. Als mein Großvater 1972 starb, wechselte mein Vater, der bisher in Euskirchen die Werksleitung hatte, ins Büro nach Düsseldorf. Ich bin 1999 ins Unternehmen eingestiegen und habe den Bereich Export von meinem Onkel übernommen. Heute haben wir eine direkte Exportquote von 60 %, reell sogar 80 %, weil wir den deutschen Anlagenbau ja auch ins Ausland verkaufen. Mit ca. 40 Mitarbeitern haben wir 2014 einen Umsatz von 7 Mio. EUR erzielt. In den vergangenen Jahren konnten wir durch kontinuierliche Umsatzsteigerungen den weiteren Ausbau auf dem firmeneigenen Gelände hier in Euskirchen bewerkstelligen. Ist die hydrodynamische Dichtung das eigentliche Geheimnis des Erfolgs? Wir nutzen die hydrodynamische Dichtung konsequent in 90 % unserer Pumpen und erzielen dadurch eine extrem hohe Langlebigkeit – das ist einfach eine Frage der Philosophie. In unserer Firmengeschichte spielt diese Dichtung von Anfang an eine Hauptrolle. Welche spezifischen Merkmale weisen Bungartz Kreiselpumpen noch auf? Unsere Pumpen sind von Anfang an trockenlaufsicher und werden für Aufgaben eingesetzt, bei denen herkömmliche Pumpen versagen. Daran hat sich bis heute nichts geändert – selbst bei modernen, magnetgekuppelten Pumpen. Wir bauen unsere Pumpen speziell nach Kundenspezifikation, sprich für die Einsatzfälle, bei denen herkömmliche Pumpen an Grenzen stoßen. Das können schwierige Zulaufbedingungen, Dichtungs- oder Beständigkeitsprobleme oder auch eine Kombination aus allen drei Komponenten sein. Jede unserer Pumpen ist eine individuelle Anfertigung. Manche werden für spezielle Einsatzbedingungen weiterentwickelt bzw. skaliert. Im Bereich der Selbstregelpumpen gehen wir im Moment im Hinblick auf Kundenanforderungen zu Leistungsbereichen mit höheren Volumenströmen über. Mit einem Fördervolumen von ca. 2000 m 3 pro Stunde stoßen wir in neue Größen ordnungen vor. Bei Einzelanfertigungen wird meist ein höheres Preisniveau unterstellt. Wie ist das bei Ihren Spezialkreiselpumpen? Unsere Pumpen bieten einen technischen Mehrwert, der beispielsweise die Kosten der Anlageninstallation reduziert oder die anfällige Regelungstechnik einspart. Durch intelligente Anwendung der Verfahrensphysik erhöhen wir durch Konstruktions- 24 VERFAHRENSTECHNIK 1-2/2016

INTERVIEW I TOP-THEMA vorteile die Verfügbarkeit unserer Spezialkreiselpumpen entscheidend. Damit ist das integrierte Sicherheitskonzept immer ein Bestandteil unserer Pumpenlösungen. Für den Kunden rechnet sich das, wenn er die Lebenszykluskosten vergleicht. Wir erleben ganz oft, dass der Betreiber der Anlage gar nichts von der eingesetzten Bungartz-Pumpe weiß. Die Pumpe läuft aber möglicherweise schon seit 20 Jahren in seiner Anlage. Da unsere Pumpen keinerlei spezieller Wartung bedürfen, laufen unsere Pumpen sogar jahrzehntelang, ohne dass sie sich bemerkbar machen. Wenn der Betreiber sie dann bei einer Prüfung mal kennenlernt, ist das ein echtes Aha-Erlebnis. Das liegt an der extrem hohen Eigensicherheit unserer Spezialkreiselpumpen. Nicht nur unsere „Dichtungsphilosophie“ ist oft das entscheidende Kaufkriterium. Vorteilhaft dabei ist die Tatsache, dass wir das Fördermedium gerade auch bei sehr aggressiven und für Dichtungen anspruchsvollen Anwendungen während des Betriebs und sogar während des Stillstandes von der eigentlichen Dichtung komplett fernhalten. Die klassische Wellendichtung kommt dabei mit dem Medium nicht in Berührung und wird deshalb kaum beansprucht. Damit werden allein schon höhere Standzeiten erzielt. Außerdem sind unsere Spezialkreiselpumpen überaus robust. Erfahrungsberichte belegen, dass bei extremen Frank Bungartz, Geschäftsführer der Paul Bungartz GmbH & Co. KG: „Die hydrodynamische Dichtung spielt in unserer Firmenphilosophie von Anfang an die Hauptrolle“ Anwendungen durch den Einsatz unserer Pumpen die Standzeiten von nur sechs Wochen auf sechs Monate verlängert werden konnten. Das ist nur durch das Zusammenspiel unserer außergewöhnlichen Pumpen mit der Auswahl des richtigen Werkstoffes zu erreichen. Gleichzeitig amortisiert sich der Einsatz unserer Spezial kreiselpumpen auch durch die geringen Anlagen- und Wartungskosten. Welche weiteren technologischen Highlights haben Ihre Pumpen zu bieten? Ein Großteil unserer Pumpen ist kavitationsfrei mit einem sehr niedrigen NPSH- Wert, der kleiner als 10 cm ist und quasi sehr nah bei 0 liegt – man könnte fast sagen, wir haben unseren Pumpen das Saugen abgewöhnt. Wenn eine Pumpe nicht saugt, dann fördert sie eigentlich nur das weg, was ihr von sich aus durch die Schwerkraft zufließt. So entsteht auch dieser Effekt der nichtsaugenden Pumpe, die sich selbst regelt, denn der Flüssigkeitsspiegel vor der Pumpe bestimmt ja, wie viel Flüssigkeit zufließt. Wenn Laufrad und Flüssigkeitsspiegel auf dem gleichen Niveau sind, fließt der Pumpe nichts zu. Die Pumpe dreht zwar, fördert aber nicht selber, weil sie ja nichts ansaugen kann. Entsteht zulaufseitig aber ein höherer Flüssigkeitsspiegel, fließt durch die Schwerkraft auch wieder mehr zu, was die Pumpe dann wegfördert. Die Pumpe regelt sich also praktisch dadurch, dass sie nicht saugen kann. Ein weiterer Vorteil neben der Selbstregelung ist auch, dass die Pumpe permanent trockenlauffähig ist. Das alles sind Weiterentwicklungen, die auf Basis der hydrodynamischen Dichtung erst möglich sind. Das funktioniert dann aber nur bei vertikaler Bauweise? Die Selbstregelung funktioniert nur vertikal. Für andere Fälle bieten wir auch Horizontalpumpen an, die normal saugen und trotzdem eine hydrodynamische Dichtung haben. Alle nachgeschalteten Dichtungen sind trockenlaufend und teilweise auch komplett vom Medium getrennt. Wir haben z. B. eine Magnetkupplungspumpe, die geeignet ist für Temperaturen bis 400 °C und für Feststoffe, weil die Bereiche Magnettopf und Lagerung eigentlich nie mit dem Medium in Berührung kommen. Das ist komplett voneinander getrennt. Sie fertigen ausschließlich in Deutschland … Ja, gefertigt wird hier in Euskirchen, wo wir uns in den vergangenen Jahren deutlich vergrößert haben: 2012 wurde eine Halle erst um ca. 700 m 2 erweitert, Ende 2014 konnte dann diese Halle komplett nach einer erneuten Erweiterung eingeweiht werden. Das hat mein Vater noch miterlebt und gleichzeitig mit seinem 50-jährigen Arbeitsjubiläum gefeiert. Die Fertigungstiefe hier ist sehr hoch, bis auf die Wellen und einige Lagerstühle machen wir alles selber. Wir lassen nach eigenen Modellen und Zeichnungen in Deutschland und Tschechien abgießen. Der Guss wird dann hier mechanisch bearbeitet und montiert. Und jede Pumpe, die unser Haus verlässt, wird auf Dichtigkeit und Leistung geprüft. Als ich angefangen habe, wurden große Pumpenprüfungen noch manuell gefahren. Zunächst wurde die Ergebnisse der Prüfläufe noch telefonisch nach Düsseldorf durchgegeben. In den 80er-Jahren kam dann das Fax und seit 2000 haben wir den modernen Prüfstand mit Online- Überwachung. Über Datennetze können die Ingenieure in Düsseldorf die Ergebnisse am Monitor des Online-Prüfstands in Euskirchen auf ihrem Bildschirm nicht nur überwachen, sondern u. a. die Kennlinie von Düsseldorf aus in Echtzeit abrufen. … liefern aber die meisten Ihrer Pumpen ins Ausland. Ja, wir bekommen tatsächlich die meisten Impulse aus dem Ausland. Südkorea ist im Moment aktuell, aber das wechselt ständig – je nach Branche. Mal ist es Pakistan im Bereich Düngemittel, dann ist wieder Südostasien sehr stark. Aktuell sehen wir auch in den USA noch Potenzial und in Ägypten tut sich auch im Bereich Düngemittel momentan einiges. Europa ist leider sehr ruhig, vereinzelt gibt es Kunden in England, Benelux, Spanien, Frankreich und Skandinavien. Wir sind wirklich stark im außereuropäischen Export. Die Einsatzbereiche unserer Pumpen sind dabei sehr vielfältig. In den Branchen Chemie, Petrochemie und der bereits erwähnten Düngemittelindustrie sind wir stark vertreten. Aber auch in der Kraftwerkstechnik und im Umweltschutz finden Sie zahlreiche Beispiele für den Einsatz von Spezialkreiselpumpen aus dem Hause Bungartz. (eli) www.bungartz.de VERFAHRENSTECHNIK 1-2/2016 25